Unser Statement zum 5. Jahrestag der Rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz
Autor_innen: ASA-FF
Unser Statement zum 5. Jahrestag der Rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz
Wir nehmen 2018 nicht hin
Plötzlich schaute die Welt auf Chemnitz. Im August 2018 zeigten sich Rechtsextreme, Demokratiefeinde offen, marschierten im Schulterschluss durch die Innenstadt von Chemnitz, griffen unbeteiligte Menschen an. Beteiligt war darunter der spätere Mörder von Walter Lübcke ebenso wie Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe ‘Revolution Chemnitz’, deren Ziel die Überwindung des demokratischen Staates war. Die Welt zeigte sich verwundert, erschrocken ob der Wut, der Masse von Extremen, die sich dort im Zentrum ballte. Die New York Times berichtete über diesen Tiefpunkt Chemnitzer, sächsischer, ja deutscher Geschichte. Für viele Menschen außerhalb der Stadt waren es schockierende Bilder, für viele hier ist es Alltag.
Unseren Verein ASA-FF wunderten die Ereignisse wenig. Schon vorher arbeiteten wir mit unserem Projekt “Offener Prozess” das Wirken, das Netzwerk des NSU in Sachsen auf, untersuchten Rechte Kontinuitäten. Rassismus und antidemokratische Tendenzen sichtbar zu machen. Wir erzählten und erzählen die Geschichten von Betroffenen, verschaffen ihnen Raum.
Nach den Ausschreitungen und rassistischen Angriffen 2018 wurde uns klar: das reicht nicht.
Unser bundesweit agierender Verein ASA-FF hat sich dem Globalen Lernen, der Demokratiearbeit mit Mitteln der Kultur auf die Fahnen geschrieben. Mit Chemnitz als Wirkort haben wir uns einen Platz direkt am Graben dieser gesellschaftlichen Verwerfungen gesucht. Wir starteten das Projekt „neue unentd_ckte narrative“ (nun). Wir suchten nach Erzählungen der Menschen, die bislang kaum wahrgenommen werden, unterstützten Kulturproduktionen, die Schlaglichter auf menschliche Vielfalt, auf die Dringlichkeit einer starken Demokratie werfen. Unsere weitere Projektsäule „Gründungsgarage“ hilft Menschen, die ein soziales Unternehmen gründen und auf wirtschaftlicher Ebene unsere Demokratie bereichern wollen, bei den ersten Schritten, leistet Geburtshilfe. Nun fordern über unser Projekt „re:member the future“ einen Erinnerungs- und Lernort in Chemnitz, der die Betroffenen des NSU und rechter Gewalt in den Blick nimmt. Chemnitz hat das nötig.
Wie nötig, das sehen wir nicht nur in den Nachrichten, im Erstarken demokratiefeindlicher Parteien und Strömungen in Bund, Land und Kommune, an Übergriffen auf migrantisierte, queere und engagierte Menschen. Nein, wir sehen es an der Angst derer, mit denen wir Arbeiten – Menschen aus der ganzen Welt, Menschen die Diskriminierung erleben und in dieser Stadt um ihre körperliche und seelische Unversehrtheit fürchten müssen. Menschen, die wir ermutigen, mit ihren Geschichten, ihrem Dasein in die Öffentlichkeit zu treten – für deren Schutz auch wir Verantwortung tragen. Das sollten wir jedoch nicht alleine, der Schutz, die Würde aller Teile einer Gesellschaft herzustellen, ist in einer Demokratie die Aufgabe der Gesellschaft.
Und für eine eben solche Gesellschaft treten wir ein, kämpfen wir mit den Mitteln der Bildungs- und Kulturarbeit. Wir wollen, dass nicht nur Chemnitz bunt ist, demokratisch und solidarisch.
Wir, als Verein ASA-FF, zeigen uns solidarisch mit den Betroffenen – nicht nur der extremistischen Ausschreitungen vor fünf Jahren, sondern auch mit denen, die vorher und seitdem Opfer der Träger des neonazistischen, rassistischen, frauen- und queerfeindlichen Gedankenguts sind.
Gleichzeitig fordern wir eine Aufklärung dieser Vorfälle, eine Positionierung vonseiten der Stadt, des Land- und Bundestages. Denn auch diese Instanzen schufen und schaffen seit Jahrzehnten einen Nährboden, in dem demokratiefeindliche Gesinnung wachsen kann. Chemnitz 2018 war kein Imageverlust für eine Region, 2018 hat für viele Menschen nie aufgehört.
Euer Verein ASA-FF,
Vertreten von den Vorständen* Nele Marie Wolfram, Sarah Böger und Attila Bihari