TolSax Update | September 2024

Im Editorial des September-Newsletters geht Miro Jennerjahn vom ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V. und Mitglied des TolSax-Rates auf die Debatte um das vermeintlich geltende Neutralitätsgebot für Träger der (politischen) Bildungsarbeit und zivilgesellschaftliche Akteure, die sich der Demokratiestärkung verpflichtet haben und/oder die sich klar gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder anderweitig menschenfeindliche Erscheinungsformen positionieren, ein. Wie immer findet Ihr im Newsletter noch mehr Termine, Fördertipps und weitere Anregungen für Euer Engagement in Sachsen!


Editorial von Miro Jennerjahn | ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V.

Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,

in unschöner Regelmäßigkeit wiederholt sich die Debatte über ein vermeintlich existierendes Neutralitätsgebot für Träger der (politischen) Bildungsarbeit und zivilgesellschaftliche Akteure, die sich der Demokratiestärkung verpflichtet haben und/oder die sich klar gegen Rechtsextremismus, Rassismus oder anderweitig menschenfeindliche Erscheinungsformen positionieren.

Spätestens wenn Fördermittel im Spiel sind, wird der Vorwurf, sich nicht neutral zu verhalten bzw. angeblich bestehende Neutralitätspflichten zu verletzen, zum gerne verwendeten Totschlagargument. Leider kommen diese Angriffe nicht nur von ganz rechts außen, sondern sind erschreckend weit im gesellschaftlichen und politischen Diskurs verankert.

In der Praxis führt dies zu Verunsicherung darüber, was nun eigentlich erlaubt ist und was nicht. Notwendige Positionierungen bleiben aus, sei es, weil die Kraft fehlt, die immer gleichen Diskussionen wieder zu führen, oder weil ernsthafte Sorge besteht, mit Rückforderungen durch Fördermittelgeber konfrontiert zu werden.

Besonders drastisch in dieser Hinsicht ist der Sonderbericht des Sächsischen Rechnungshofs (SRH) zur Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen. In diesem wurde durch den SRH nicht nur die Fördermittelpraxis des sächsischen Sozialministeriums in den Blick genommen, sondern auch sehr weitreichende Ausführungen zum angeblich bestehenden Neutralitätsgebot vorgenommen. Kurz formuliert ist der SRH der Ansicht, dass Fördermittelempfänger den gleichen Neutralitätspflichten unterliegen wie das fördernde Ministerium selbst. In der Logik des SRH sind geförderte Vereine keine Grundrechtsträger, sondern werden durch den Empfang von Fördermitteln zum Sprachrohr des Ministeriums. Wenig überraschend ist der SRH der Meinung, die geförderten Träger im Rahmen der Richtlinie Integrative Maßnahmen hätten massenhaft gegen das Neutralitätsgebot verstoßen.

Aus der Logik des SRH resultiert eine große Gefahr für unser aller Arbeit. Wird der „Neutralitätsmaßstab“ des SRH zum Standard, so ist eine werteorientierte zivilgesellschaftliche Arbeit, die sich am normativen Kern des Grundgesetzes orientiert und die Menschenwürde als Ausgangspunkt der eigenen Arbeit definiert, nicht mehr möglich.

In dieser schwierigen Ausgangssituation hat die Cellex-Stiftung mit Unterstützung der Freudenberg-Stiftung, der Schöpflin-Stiftung und der Amadeu-Antonio-Stiftung ein Rechtsgutachten bei dem renommierten Verfassungs- und Verwaltungsrechtler und ehemaligen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Friedhelm Hufen, in Auftrag gegeben, der die Ausführungen des SRH zum Neutralitätsgebot aus einer juristischen Perspektive untersucht.

Prof. Hufen kommt in dem Gutachten zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der SRH mit seinen Ausführungen zum Neutralitätsgebot und seiner Auffassung, geförderte Träger hätten dagegen verstoßen, seine Kompetenzen bei weitem überschritten hat. Zudem weist Prof. Hufen dem SRH erhebliche juristische und fachliche Mängel in seinen Ausführungen zum Neutralitätsgebot nach.

In einem weiteren Schritt definiert Prof. Hufen einen allgemeinen Handlungsrahmen dessen, was geförderte Träger auch im Rahmen ihrer Förderung tun dürfen und was nicht. Dies ist ein wichtiger Beitrag, um Handlungssicherheit für uns alle in unserer täglichen Arbeit zu schaffen.

Das Rechtsgutachten wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und kann hier eingesehen werden.

Als Sprecher_innen-Rat ist es uns wichtig, hierzu in Austausch mit Euch zu treten. Wir bereiten daher gerade eine digitale TolSaxKonkret-Veranstaltung vor, in der Prof. Hufen das Gutachten detaillierter vorstellen wird und die Gelegenheit bestehen wird, darüber zu diskutieren und Ableitungen für die eigene Arbeit zu treffen. Näheres dazu findet Ihr bei den Terminankündigungen.

Mit besten Grüßen

Miro Jennerjahn | ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V. und Sprecher des TolSax | jennerjahn@arbeitundleben.eu Die TolSax-Redaktion erreicht Ihr unter:
Johanna | redaktion@tolerantes-sachsen.de | 0176 320 76 320
Ruth | koordination@tolerantes-sachsen.de | 0178 54 45 807 | 03425 82 98897
Frank | buero@tolerantes-sachsen.de | 0177 466 06 51 | 03425 82 999 59

Auf unserer Website unter Koordination erfahrt Ihr, welche Mitarbeiter_in aus der TolSax-Koordination  für welche Eurer Fragen die richtige Ansprechperson ist.

Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.

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