TolSax Update | März 2023
Im Editorial unseres #TolSaxUpdate März blickt TolSax-Sprecher Benjamin Winkler von der Amadeu Antonio Stiftung zurück auf drei Jahre Pandemie-Bekämpfung in Deutschland. Außerdem informieren wir Euch wie gewohnt über viele Termine, Analysen, Stellenangebote, und Fördertipps rund um zivilgesellschaftliches Engagement in Sachsen.
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Editorial von Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung
Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,
vor knapp drei Jahren begann in Deutschland die COVID-19-Pandemie. Das, was anfangs noch eine Virus-Krise im fernen Asien war, entwickelte sich schnell zu einer weltweiten Pandemie. Der erste Lockdown in Deutschland im März 2020 führte endgültig zu der Einsicht, dass die Pandemie unser Leben – temporär – verändern wird. Die Reaktionen reichten von Appellen zum gesellschaftlichen Zu-sammenhalt („Wir bleiben zu Hause!“) über Isolation in den eigenen vier Wänden bis hin zu Protesten auf der Straße. Ein Blick in die Geschichte der Pandemien zeigt, dass solche Muster durchaus nicht unüblich waren. Pandemien stellten immer große gesellschaftliche Herausforderungen dar. Ebenso empfanden auch früher schon viele Menschen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung von Pandemien als Einschränkung ihrer Freiheit.
Zwischen 2020 und 2022 zeigte sich aber auch noch ein anderes Motiv, das zur Ablehnung der Maßnahmen und der Schutz-Impfung beitrug. Einerseits waren viele Menschen schlicht egoistisch. Die Tatsache, dass bei ihnen die Ansteckung nicht zu einem schweren Verlauf der Krankheit COVID-19 führte, sollte als Beleg dienen, dass die Maßnahmen übertrieben seien. Bis heute wird diesen Menschen schwer vermittelbar sein, dass seit 2020 über 167.000 Menschen in Deutschland an COVID-19 und den Folgen gestorben sind (RKI). Auch die zahlreichen Menschen, die heute unter Langzeitfolgen leiden, werden häufig ignoriert. Doch nicht nur Egoismus oder vielmehr unsolidarisches Verhalten war prägend. Angestachelt durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Akteur*innen zeigte sich bei vielen Protesten auch ein demokratiefeindlicher Kern. Man witterte die Chance, dass die Ablehnung der Maß-nahmen in Teilen der Bevölkerung zu einer leichteren Radikalisierung führen kann. Gezielt wurden alte und neue Verschwörungserzählungen platziert und wurde Hass gegen Gruppen verbreitet.
Heute, drei Jahre später, ist es möglich, zu dem Erlebten eine Bilanz zu ziehen. Die Schutz-Impfung hat nach Ansicht der Mehrheit der Expert*innen entscheidend dazu beigetragen, dass nun eine Immunität in der Bevölkerung verankert ist. Auch heute noch stecken sich Menschen mit SARS-CoV-2 an und erkranken an COVID-19. Auch heute noch erleiden einige schwere Verläufe und sterben an der Krankheit. Doch die Anzahl der Menschen, die mit einer Infektion im Krankenhaus behandelt und beatmet werden müssen, ist signifikant gesunken. Das Gesundheitssystem ist wegen Corona nicht mehr überlastet und die medizinische Versorgung der Erkrankten hat sich spürbar verbessert. Nicht nur der wissenschaftlich-/medizinische Erfolg war hier maßgeblich, auch das umsichtige und solidarische Verhalten der Mehrheit der Menschen in Deutschland. Unabhängig von Protest auf der Straße oder Egoismus des Einzelnen, viele Menschen handelten verantwortungsvoll in drei Jahren Pandemie.
Wir wissen heute, dass wahrscheinlich nicht alle Maßnahmen, zu jeder Zeit, die Richtigen waren. Vor allem die Schließung der Schulen und Kindergärten scheinen zu hart gewesen zu sein. Vor dem Hintergrund der psychischen Belastungen der Kinder, Jugendlichen und Familien sind das sicherlich zu spät kommende Einsichten. Doch auch hier zeigt sich nur bei wenigen Wut oder sogar Hass auf die damaligen Entscheider*innen. Pandemien sind und waren Zeiten der Unsicherheit. Man könnte sagen, wir wussten es damals nicht besser. Umso wichtiger, dass man nun Schritte unternimmt, um sich den negativen Folgen der Maßnahmen zu widmen. Lernrückstände bei Kindern, insbesondere aus sozialschwächeren Familien, müssen dringend in den Blick genommen werden. Eine Studie zeigte vor Kurzem, dass viele Kinder und Jugendliche starke Einsamkeitserfahrungen gemacht haben (vgl. Das Progressive Zentrum e.V., Februar 2023). Diese wiederum führten bei manchen zu einem Anstieg demokratiefeindlicher Ansichten. Auch hier ist die Gesellschaft gefragt.
Wenn viele von uns heute in der Straßenbahn oder im Bus sitzen – ohne oder mit Schutzmaske – dann bemerken wir einen schrittweisen Wiedereinstieg in die Normalität. Sicher, manches hat sich vielleicht für immer geändert, doch im Großen und Ganzen, kehren alte, lieb gewonnene Freiheiten zurück. Der Staat hat die Verantwortung freiheitseinschränkende Gesetze, wie das Infektionsschutzgesetz, behutsam anzuwenden. Vorschriften und Verordnungen dürften nicht unbegrenzt gelten. Aus meiner Sicht haben Staat und Gesellschaft – alles in allem – umsichtig gehandelt. Unabhängig davon brauchen wir eine kritische Aufarbeitung der Geschehnisse.
Doch nach der einen Krise ist bekanntlich vor bzw. mitten in der neuen Krise. Es lohnt sich also, dass wir einen gewissen Corona-Frieden schließen. Die aktuelle Herausforderung heißt (seit mittlerweile einem Jahr) russischer Angriffskrieg. Auch hier ist die Gesellschaft gefordert, auch hier braucht es ein umsichtiges und solidarisches Handeln vieler Menschen. Viel Spaß bei der Lektüre des März-Newsletters wünscht
Euer TolSax-Sprecher
Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung | debunk@amadeu-antonio-stiftung.de
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Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.