Tötung von Christopher W.: Innenministerium in Sachsen erkennt kein politisches Motiv mehr an

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Autor_innen: Opferberatung SUPPORT des RAA Sachsen e.V.

Das Sächsische Innenministerium stuft die brutale Tötung Christopher W.s vor sieben Jahren nicht mehr als politisch motiviertes Tötungsdelikt „rechts“ ein. Die Opferberatung SUPPORT des RAA Sachsen e.V. kritisiert die Ausstufung als nicht nachvollziehbar und als falsches Signal.

Am 17.04.2018 wurde der schwule Christopher W. von drei Neonazis in Aue im Erzgebirge zu Tode geprügelt. Zuvor beleidigten, bedrohten und verletzten ihn die Täter mehrfach wegen seiner sexuellen Orientierung. Die drei Täter lockten Christopher W. in ein verlassenes Abbruchhaus, begannen, auf ihn einzuprügeln und schlugen ihn auf brutale, entwürdigende Art und Weise tot. Kurze Zeit später kursierten Fotos der vollkommen entstellten Leiche in lokalen Whatsappgruppen.

„Wir haben keine Zweifel an der bisher korrekten Einordnung der Tötung als politisch motivierte Gewalttat durch das LKA im Jahr 2019. Die Ausstufung ist angesichts der bekannten Fakten nicht nachvollziehbar, kritisiert Andrea Hübler, Co-Geschäftsführerin des RAA Sachsen e.V.

„Die Ausstufung ist das völlig falsche Signal, v.a., weil immer noch viele queerfeindliche Straftaten nicht angezeigt werden, queere Menschen aber tagtäglich Hass, Hetze und Gewalt im digitalen wie analogem Raum erfahren. Sichtbar queere Menschen leben gefährlich in Sachsen“, sagt Anna Schramm, Beraterin im Projekt SUPPORT, die den Gerichtsprozess damals verfolgte.

Das Tötungsdelikt erfüllt nach Einschätzung der spezialisierten Gewaltopferberatung des RAA Sachsen e.V. Merkmale einer vorurteilsmotivierten Straftat bzw. eines Hassverbrechens: Täter, die durch Kleidung, Tattoos, Aussagen und Vorstrafen dem extrem rechten Spektrum zuzuordnen sind und offenkundig Einstellungen der Ungleichwertigkeit teilen. Ein Opfer, dass stellvertretend für queere Menschen bereits vor der Tat angefeindet und angegriffen wurde. Eine brutale Tatbegehung, die einen Vernichtungswillen zeigt und das Opfer herabwürdigt.

„Die politische Einstellung der Täter, die Opferauswahl und die Art der Tatbegehung liefern in dem Fall Hinweise auf die Tatmotivation. Das sah 2019 bei ihrer Einstufung als politisch rechts motivierte Straftat auch die Kriminalpolizei so“, betont Anna Schramm. „Hintergrund [der polizeilichen Einstufung 2019] waren in den polizeilichen Ermittlungen identifizierte Nebenaspekte (Opfer: homosexuell, Täter: teils homophob und rechtsmotivierte Vorerkenntnisse)“, antwortet auch das Innenministerium auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke im Sächsischen Landtag (Drs. 8/1829).

Die Ausstufung durch das SMI erfolgte nun aufgrund einer erneuten Prüfung, die ergeben habe, dass das Gericht eine rechte Tatmotivation nicht feststellen konnte. Dass das Gericht in seinem Urteil 2019 gar kein Motiv benennen konnte, die Tat vielmehr Richterin und Staatsanwalt ratlos zurückgelassen habe, wurde damals bereits kritisiert: https://taz.de/Homofeindliche-Gewalt-in-Aue/!5621565/

Das Gericht versuchte sich in der Hauptverhandlung daran, das mögliche Motivbündel zu erörtern, konnte das Motiv aber aus seiner Sicht schlicht nicht erschließen.

So bleibt das Gericht eine Antwort auf das „Warum“ einfach schuldig, obwohl es im schriftlichen Urteil ausführt: „Der gutmütige und durchsetzungsschwache Geschädigte war nicht zuletzt wegen seiner Homosexualität in seinem Umfeld Repressalien und Schikanen – nicht nur durch die Angeklagten – ausgesetzt. [Der Täter] He. machte aus seiner Abneigung gegen den Geschädigten keinen Hehl, als er am 14.04.2018 von dessen Homosexualität erfuhr und mit den Worten entgegnete, dass sowas ekelhaft sei.“

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