Statement zu Bautzen: Das Problem heißt Rassismus und sollte als solches auch benannt werden.
Das Problem heißt Rassismus und sollte als solches auch benannt werden.
Am Donnerstag, den 27. Juli 2017, wurde die Polizei zu einem Einsatz auf die „Platte“ gerufen. Grund war eine Auseinandersetzung zwischen einem 34-jährigen Mann und drei jungen Asylsuchenden im Alter von 17, 18 und 21 Jahren. Im Zuge des Einsatzes kam es zu zahlreichen Gewalttaten des 34-Jährigen: eine Körperverletzung gegen einen ihm bekannten Mann, eine versuchte gefährliche Körperverletzung gegen die drei Asylbewerber mit einer abgebrochenen Bierflasche und eine Auseinandersetzung mit einem 18-Jährigen. Im Umfeld wurden zudem acht Personen festgestellt, die „offenbar aus sozialen Netzwerken und Nachrichten anderer Personen binnen kurzer Zeit vom Geschehen auf dem Kornmarkt erfahren“ hatten, so die Polizei in einer Mitteilung. Weitere Schaulustige folgten. Etwas später konnten die Beamten bei einer Fahrzeugkontrolle vier Personen feststellen, die im „Besitz von Pfefferspray, mit Quarzsand gefüllten Handschuhen und einer Sturmhaube“ waren. Es wurden Platzverweise erteilt, Ingewahrsamnahmen indes gab es nicht.
Hingegen ging die Polizei gegen einen der Asylsuchenden massiv vor, dem eine gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt wird. Die Beamten sollen den jungen Mann beleidigt und beschimpft haben. Die Kriminalpolizei ermittelt.
In der Reaktion auf die Ereignisse ist nun schnell klar, wer Täter und wer Opfer sein soll. Vize-Landrat Udo Witschas spricht davon, dass von dem jungen Asylbewerber eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehe. Er habe „erheblich provoziert“. Daher sei die vom Landratsamt getroffene Entscheidung, den jungen Mann umzuverteilen durchaus gerechtfertigt. Die Rolle von Rechten und Neonazis hingegen wird erneut heruntergespielt, deren Auftreten sei der Provokation des Geflüchteten geschuldet.
Es verwundert, dass ein Mann mit einem festgestellten Alkoholwert von 2,88 Promille mehrere Straftaten innerhalb kürzester Zeit begehen kann und das Tatgeschehen lediglich dokumentiert wird, während der junge Asylsuchende zur „erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ erklärt wird und repressive Maßnahmen eingeleitet werden, ohne dass Ergebnisse von Ermittlungsverfahren vorliegen würden.
Bereits im vergangen Jahr haben wir deutlich gemacht, dass die Vorfälle in Bautzen in eine klare Richtung zeigen. Die Auseinandersetzungen im September 2016 waren Ergebnis gezielter Eskalationen rechter Gruppierungen. Damals wie heute waren die Schuldigen aber schnell ausgemacht: junge Geflüchtete. Restriktive Maßnahmen, wie Ausgangssperre und Alkoholverbot wurden allein gegen sie eingeleitet. Damals wie heute wird die Dimension rechter Strukturen und Aktionen verkannt. Der Blick auf die aktuellen Geschehnisse zeigt deutlich, wie gefährlich diese Fehleinschätzung war und ist.
In der Nacht vom 4. zum 5. August versuchte der junge Geflüchtete sich das Leben zu nehmen. Seit vielen Monaten ist er in Bautzen fast täglich rechter Hetze und rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Trotz massiver Polizeipräsenz kommt es immer wieder zu rassistischen Beleidigungen, Linke oder alternative Jugendliche werden verfolgt, bedroht, geschlagen. Graffiti markieren national befreite Zonen, Hakenkreuze an den Fassaden in Bautzen sind keine Seltenheit. Erst in der Nacht zu Dienstag gab es Steinwürfe auf das Büro der Linken und Graffitis am Büro der SPD. Tags darauf traf sich Udo Witschas offiziell mit NPD-Kreischef Marco Wruck und debattierte „über eine Handvoll weiterer auffälliger Asylbewerber“ und über das Steinhaus.
Verharmlosungen und Schuldzuweisungen an die Geflüchteten bestätigen die Rechten und geben ihnen Rückenwind. Auf diese Weise befeuern die politisch Verantwortlichen schwelende rassistische Ressentiments, die mit besorgniserregender Regelmäßigkeit immer wieder aufbrechen und wiederholt Rechte und Neonazis aus ganz Sachsen und darüber hinaus mobilisieren. Stattdessen sollte das Engagement demokratischer Bündnisse, Initiativen und Akteur*innen gegen Rassismus und die Arbeit mit Geflüchteten unterstützt werden um in Bautzen ein wahrnehmbares Gegengewicht zu rechtem Gedankengut und Neonazistrukturen zu schaffen.