sLAG veröffentlicht Positionspapier zur Landtagswahl in Sachsen
Autor_innen: sLAG (sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus)
Vor der Landtagswahl 2019 sprachen wir noch von zehn verlorenen Jahren, in denen die Erinnerungsarbeit in den Gedenkstätten und von Initiativen in Sachsen vor großen strukturellen Herausforderungen stand. Gründe hierfür waren eine dysfunktionale und von Skandalen in ihrer Arbeit gelähmte Stiftung Sächsische Gedenkstätten (StSG), einer Institution, die maßgeblich für den Betrieb und die Finanzierung der Erinnerungsorte in Sachsen zuständig ist. Die Entwicklung der bestehenden Gedenkstätten in Trägerschaft der Stiftung sowie in freier Trägerschaft stagnierte und Projekte zivilgesellschaftlicher Akteur*innen wurden wenig beachtet und nur unzureichend gefördert. Der erratische Führungsstil und die rechtspopulistischen Äußerungen des Geschäftsführers führten zudem zu einer zunehmenden Isolierung der sächsischen Einrichtungen von den bundesweiten Diskursen und Netzwerken.
Die vergangenen fünf Jahre waren geprägt von grundlegenden Veränderungen in der Erinnerungslandschaft Sachsens. Mit der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG) gründete sich 2018 eine Selbstorganisation von Vereinen, Initiativen, Gedenkstätten sowie engagierten Einzelpersonen, welche die Interessen der Aktiven in diesem Feld fortan im sächsischen erinnerungspolitischen Diskurs vertreten sollte. So gelang es 2020 beispielsweise, einen kritischen Blick von Medien und Politik auf die Leitung der StSG zu lenken, die zuvor schon durch eine externe Evaluation unter Druck geraten war. Noch im gleichen Jahr wurde eine neue Interims-Geschäftsführung berufen, der erste Schritt zu einer Neuausrichtung der StSG, einer Entwicklung, die seit 2021 unter der neuen Geschäftsführung fortgesetzt wird. Die bisherigen Veränderungen zeitigen bereits viele positive Effekte: der Austausch zwischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und der Förderinstitution verbesserte sich, was sich u.a. in einem starken Anstieg an Förderanträgen bemerkbar machte; die sächsischen Einrichtungen sind wieder in bundesweiten Strukturen und Gremien vertreten und sichtbar; neue Arbeitskreise z.B. zum Thema NS-Zwangsarbeit, konnten mit wissenschaftlichen Institutionen, der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig (GfZL), der StSG, der sLAG und verschiedenen Landesämtern etabliert werden.
Zwischen 2019 und 2024 sind neue Gedenkorte entstanden bzw. wurden für deren Errichtung die Weichen gestellt (bspw. die KZ-Gedenkstätte Sachsenburg, der Erinnerungsort Riebeckstraße 63 in Leipzig, die Euthanasie-Gedenkstätte Großschweidnitz, die Gedenkstätte am ehemaligen Haftort Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz), in anderen wurden Profile überarbeitet und Ausstellungen neu konzipiert (bspw. für den Erinnerungsort Torgau).
An verschiedenen weiteren Orten gibt es Diskussionen um eine Etablierung von Gedenkstätten und die Schaffung von Erinnerungsorten. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang beispielsweise das Gedenkareal Dresdener Norden, insbesondere der Alte Leipziger Bahnhof.
An den genannten Beispielen zeigt sich nicht nur das Engagement zahlreicher Aktiver im Themenfeld, sichtbar wird ebenso, wie umkämpft das Feld der Erinnerungspolitik ist. Dem Beschluss zur Einrichtung einer Gedenkstätte zum frühen KZ Sachsenburg ging ein jahrelanges, zeitweise stark behindertes Engagement mehrerer zivilgesellschaftlicher Initiativen voraus, ohne die der Ort weiterhin nahezu unbekannt wäre. Die Diskussionen um den Umgang mit dem historischen Erbe kulminierte in Sachsenburg im Beschluss des Frankenberger Stadtrats, die ehemalige Kommandantenvilla abzureißen. Inzwischen ist dieses zentrale bauliche Erbe des ehemaligen KZ unwiederbringlich zerstört. Sachsenburg steht dabei nur beispielhaft für viele ähnliche Vorgänge im Freistaat. Diskussionen um den Sinn eines Erhalts solcher Orte wurden und werden in der Öffentlichkeit weiter geführt.
Erinnerungspolitik und die Erwartungen an die Wirkungsfähigkeit politisch-historischer Bildungsarbeit werden maßgeblich von den größeren gesellschaftlichen Debatten der Gegenwart bestimmt. Die Krisen der vergangenen Jahre, insbesondere die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der steigende Antisemitismus im Kontext des Massakers der islamistischen Hamas an der israelischen Bevölkerung und des folgenden Gaza-Krieges zeigen schlaglichtartig, wie fragil das demokratische Zusammenleben ist. Rechte Bewegungen und Parteien und der Wunsch nach autoritären Krisenlösungen sind so sicht- und hörbar, wie seit Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland. In Sachsen besteht 2024 die Gefahr, dass es nach der Landtagswahl keine demokratischen Koalitionsoptionen mehr gibt. Umso relevanter ist die Auseinandersetzung mit dem historischen Nationalsozialismus und die Stärkung politisch-historischer Bildungsarbeit in der Gegenwart.
Letztlich stellt sich knapp 80 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur die Frage, wie eine zeitgemäße Erinnerung an deren Herrschaft und Verbrechen aussehen soll. Welche Themen sind noch nicht bearbeitet, wo braucht es Verstetigung? Welche Orte sollten als Erinnerungsorte erhalten, weiterentwickelt oder aufgebaut werden? Wie kann das finanziert werden, ohne dass dabei Konkurrenzen zwischen Erinnerungsorten entstehen? Wie kann die Weiterentwicklung der sächsischen Erinnerungslandschaft strukturiert und planvoll erfolgen und gleichzeitig flexibel auf Veränderungen und neue Anforderungen, z.B. im Hinblick auf das Fehlen von Zeitzeug*innen sowie durch ein verändertes Nutzungsverhalten von Medien im Zuge der digitalen Transformation, reagieren? Wie können das Ehrenamt und die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen in den Prozess eingebunden, wie kann demokratische Teilhabe gestärkt werden?
Die zentralen Herausforderungen, die sich in der kommenden Legislaturperiode des Sächsischen Landtags und der neuen Regierung im Bereich der Erinnerungspolitik aus unserer Sicht stellen, sind folgende:
1. Entwicklung eines erinnerungspolitischen Konzeptes für den Freistaat Sachsen
Die sLAG schlägt vor, dass der kommende Landtag und die neue Landesregierung es sich zur Aufgabe machen, ein erinnerungspolitisches Konzept für den Freistaat Sachsen zu erarbeiten. Grundlage soll ein breites Beteiligungsverfahren unter Einbezug der relevanten zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen und staatlichen Akteur*innen sein. Auf kommunaler Ebene hat die Stadt Leipzig ein solches Konzept 2023 verabschiedet und auch in der Landeshauptstadt Dresden ist ein ähnlicher Prozess dazu angestoßen. Auf Länderebene existiert ein solches Konzept z.B. in Schleswig-Holstein und ist dort unter maßgeblicher Beteiligung der Gedenkstätten und zivilgesellschaftlicher Erinnerungsakteur*innen entstanden. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten wird noch im Laufe dieses Jahres eine auf ihre Institution bezogene Weiterentwicklungskonzeption beschließen. Um der Breite an Themen, Orten und Akteur*innen jedoch gerecht zu werden, bedarf es aus unserer Sicht eines erinnerungspolitischen Konzepts für den gesamten Freistaat, welches die folgenden Kriterien und Zielüberlegungen berücksichtigen sollte:
- Anerkennung der Vielfalt, Schwerpunktsetzung, Entwicklung
Sachsen hat eine vielfältige Erinnerungslandschaft, die aus zivilgesellschaftlichen Vereinen, Initiativen, Museen, Archiven, Gedenkstätten und Einzelpersonen besteht. Das Konzept soll diese bestehenden Strukturen sichtbar machen und auf Basis dieser erkennbaren Vielfalt Schwerpunkte für die Förderung und Weiterentwicklung der sächsischen Erinnerungsarbeit definieren. Es soll auf inhaltliche Kernthemen und insbesondere Leerstellen der sächsischen Aufarbeitungslandschaft fokussieren, die zielgerichtet entwickelt werden können. Zugleich ist es als fortzuschreibendes Papier zu verstehen, welches in regelmäßigen Abständen evaluiert und weiter entwickelt wird. Seine regelmäßige Fortschreibung soll Raum bieten für die Berücksichtigung neu aufkommender Diskussionen und sich verändernder Rahmenbedingungen.
Ausweitung der Fördermöglichkeiten für Erinnerungsarbeit
Aus der Perspektive der sLAG ist es wichtig, dass neben den Gedenkstätten an den authentischen Orten auch andere Formen der Erinnerungsarbeit eine dauerhafte Förderung erhalten können. Beispielhaft seien hier Archive als Gedächtnisinstitutionen oder Geschichtswerkstätten in Kommunen, wie die NetzwerkSTATT des Soziokulturellen Zentrums Hillersche Villa in Zittau oder die AG Geschichte des Treibhaus e.V. in Döbeln, genannt. Sie sind wichtige lokale und regionale Orte der Erinnerungsarbeit, die mit Ausstellungen, politisch-historischer Bildungsarbeit, Forschung und Archivierung sowie öffentlichen Vortragsveranstaltungen zur Verbreiterung des Wissens über die NS-Herrschaft und deren Verbrechen im örtlichen Kontext beitragen.
- Entwicklung erweiterter Förderinstrumentarien
Neben der bestehenden Projektförderung und der institutionellen Förderung schlagen wir die Einrichtung einer überjährigen „Initiativförderung“ vor, deren Ziel es ist, entstehenden Erinnerungsorten bzw. Akteur*innen eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung zu geben oder/und den Aufbau und das Testen neuer Formate und Netzwerke über einen längeren Zeitraum zu ermöglichen. - Sicherstellung begleitender Fachberatung
Das erweiterte Förderinstrumentarium sollte mit Beratungsangeboten verknüpft werden, welche die Initiativen vor Ort bei der Konzeptarbeit, der Antragsstellung und der Aushandlung mit kommunalen Verantwortlichen unterstützen. Diese Aufgabe nimmt die sLAG mit ihrer Fachstelle bereits wahr und das Angebot sollte weiter ausgebaut und verstetigt werden. - Verstärkung und Kooperation von schulischer und außerschulischer Bildungsarbeit
Eine Stärkung der Zusammenarbeit von Initiativen, Vereinen und Gedenkstätten mit den Schulen ist notwendig. Über die vereinzelten Kontakte hinaus sollten Vorhaben entwickelt werden, die eine kontinuierliche und verlässliche Kommunikation und Kooperation ermöglichen. Für den Bereich der außerschulischen Bildungsarbeit (z.B. in der Jugendhilfe oder im Bereich der Sozialen Arbeit mit Senior*innen) sind Maßnahmen zu entwickeln, die Ansätze politisch-historischer Bildung (z.B. Erzählcafés mit Historiker*innen, historische Stadtteilerkundung im Jugendzentrum) fördern. Bislang gibt es für diese Ansätze keine Unterstützung; nötig wären sowohl Fortbildungsangebote für Beschäftigte im Sozialbereich, wie auch eine unbürokratische Finanzierung von Mikro-Projekten, ohne dafür externe Quellen erschließen zu müssen. - Installierung eines Fachgremiums zur Konzepterstellung
Die Erstellung, Evaluation und Fortschreibung des erinnerungspolitischen Konzepts des Freistaats sollte unter Einbezug der Zivilgesellschaft, der wissenschaftlichen Institutionen und relevanter staatlicher Akteur*innen geschehen. Dafür ist ein entsprechendes Gremium mit paritätischer Besetzung von Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik zu berufen.
2. Absicherung einer auskömmlichen Finanzierung
In den vergangenen Jahren entstanden mehrere neue Erinnerungsorte mit hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, deren Errichtung und Betrieb jährlich mehrere hunderttausend Euro kosten. Gleichzeitig ist bei den bereits bestehenden Einrichtungen eine seit Jahren vorhandene Unterfinanzierung zu konstatieren, die sich entweder in einem zu geringen Personalschlüssel oder in prekären und untertariflichen Beschäftigungsverhältnissen widerspiegelt. Hier bedarf es einer deutlichen Erhöhung der finanziellen Mittel. Der Betrieb von Erinnerungsorten als Daueraufgabe verlangt nach einer Berücksichtigung aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen und entsprechender Mittelanpassung. Zudem braucht es Mittel zur Weiterentwicklung von Erinnerungsorten, um eine effektive und qualitativ hochwertige zeitgenössische Forschungs-, Vermittlungs- und Auskunftstätigkeit gewährleisten zu können. Wir schlagen darüber hinaus die Einrichtung eines zentralen Investitionsfonds bei der StSG vor, der explizit zur Drittmittelakquise im Rahmen größerer Projekte auch unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen genutzt werden soll.
Die Geschäftsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten muss in Hinblick auf die Bearbeitung und Beratung von Projektanträgen strukturell ausgebaut werden. Neu braucht es überjährige Fördermöglichkeiten, die größere Vorhaben nachhaltig und mittelfristig absichern. In Anbetracht der Herausforderungen der digitalen Transformation und der Datensicherung von Beständen bereits existierender Erinnerungsorte und Projekten der Zivilgesellschaft besteht hier ein großer Handlungsbedarf. Für die Zivilgesellschaft und die Orte in freier Trägerschaft hat die sLAG ein Gutachten erstellt, welches diesen Bedarf eindrücklich aufzeigt.
Insgesamt ist eine deutliche Erhöhung der Mittel für den gesamten Bereich der Erinnerungsarbeit nötig sowie ein Bekenntnis der neuen Regierung zur dauerhaften finanziellen Absicherung der Erinnerungsorte und Gedenkinitiativen. Hierzu bedarf es einer mittelfristigen Finanzplanung, die über die Aufstellung der Doppelhaushalte hinausgeht und den bestehenden Gedenkstätten Planungssicherheit gibt. Bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode schlagen wir eine schrittweise Verdreifachung des Budgets vor, um die pädagogischen Angebote, die Forschung und die Verwaltungsstrukturen in den Gedenkstätten nachhaltig zu stärken, die Weiterentwicklung der Orte in freier Trägerschaft zu ermöglichen sowie überjährige Projekte zivilgesellschaftlicher Akteur*innen finanziell abzusichern.
3. Stärkung von Vernetzung und Forschung
Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Erinnerungslandschaft in Sachsen geprägt durch eher kleinere Gedenkstätten mit wenig Personal und durch viele Vereine und Initiativen, die vorrangig ehrenamtlich arbeiten. Viele Querschnittsthemen sind jedoch nur mit einem größeren Personal- und Finanzaufwand umsetzbar: Qualifizierung von Mitarbeiter*innen und ehrenamtlich Engagierten, Digitalisierung von Wissensbeständen, die Einrichtung und der Betrieb von Datenbanken oder die kontinuierliche Forschungstätigkeit zu eigenen oder angrenzenden Themenfeldern. In allen Bereichen Bedarf es einer verstärkten Vernetzung, geteilter Infrastruktur und kooperativer Verbundprojekte. Durch die Einrichtung landesweit aktiver Fachstellen oder Kompetenzzentren könnten Ressourcen geteilt werden, kleinere Einrichtungen und zivilgesellschaftliche Initiativen davon profitieren. Folgende Fachstellen sollten gestärkt bzw. etabliert werden:
- Stärkung der Fachstelle NS-Erinnerungsarbeit und Demokratiebildung bei der sLAG. Die Arbeit der Fachstelle umfasst die Vernetzung, die Weiterbildung und die Beratung für Initiativen, Einzelpersonen und Gedenkstätten sowie die Entwicklung und Umsetzung öffentlicher Veranstaltungen zu inhaltlichen Themen der Auseinandersetzung mit dem NS. Die Moderation und Begleitung kommunaler Erinnerungsdiskurse mit verantwortlichen und aktiven Akteur*innen ist ein entwicklungsfähiges Aufgabengebiet, welches die sLAG mit entsprechender struktureller Entwicklung der Fachstelle umfassender als bisher übernehmen könnte.
- Stärkung der Landesservicestelle Lernorte des Erinnerns und Gedenkens (aktuell bei der Brücke|Most-Stiftung). Die Servicestelle vermittelt, berät und unterstützt sächsische Schulen bei der Planung und Durchführung von Fahrten an außerschulische Lernorte des 20.Jahrhunderts in Sachsen und darüber hinaus (Archive, Gedenkstätten, Museen etc.). Als etablierte Einrichtung ist sie eine Kommunikations- und Schnittstelle zwischen dem Bereich Schule und außerschulischer Trägerlandschaft im Kontext der Erinnerungsarbeit.
Beide Fachstellen stehen beispielhaft für eine landesweite Kompetenzbündelung und Vernetzungstätigkeit, die verschiedene Akteur*innengruppen im Bereich der politisch-historischen Bildung, der Wissenschaft und der Erinnerungsarbeit in der Fläche in Kontakt bringt und qualitative Verbesserungen herstellt.
Für folgende Bereiche gibt es bereits Vernetzungsstrukturen, deren Arbeit durch eine Fachstelle dauerhaft konsolidiert werden sollte:
- Für den Bereich der Digitalisierung, digitalen Arbeit und Datenbanken hat sich in den Jahren 2022 bis 2024 bereits die Netzwerkstruktur „Erinnerungskultur digital“ etabliert, die wissenschaftliche Institutionen und Bibliotheken mit Gedenkstätten und Zivilgesellschaft zusammengeführt hat. Hierbei handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, die Gedenkstätten, Vereine und Initiativen in der Erinnerungsarbeit gleichermaßen betrifft. Eine Fachstelle „Erinnerungskultur digital“ könnte an gemeinsamen Datenbanklösungen arbeiten, die Einrichtung digitaler Archive begleiten und digitaler Bildungsangebote im Freistaat Sachsen unterstützend beraten sowie Fachveranstaltungen und regelmäßige Vernetzungsangebote organisieren.
- Die Landesregierung hatte für die laufende Legislaturperiode für die NS-Zwangsarbeit einen thematischen Schwerpunkt zur Erforschung und Erfassung von Orten gesetzt. Dieser taucht als Maßnahme im „Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus“ auf und hat seinen Ursprung in der verstärkten Vernetzung der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig (GfZL), den Landesämtern für Archäologie und für Denkmalpflege, der StSG, der sLAG und dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung zum Thema NS-Zwangsarbeit. Die Finanzierung der Erforschung und Erfassung dieser Orte, die an ein zentrales Massenverbrechen des Nationalsozialismus erinnern, muss unabhängig vom Budget für den laufenden Betrieb der beteiligten Institutionen erfolgen. Die sLAG schlägt hierfür ein Kompetenzzentrum zur NS-Zwangsarbeit in Sachsen, angesiedelt bei der GfZL, vor, das sowohl die Erforschung als auch die Erarbeitung von Bildungsmaterialien zum Thema koordiniert und durchführt.
Insgesamt sollten die bisherigen Vernetzungsansätze zwischen akademischer Forschung, Gedenkstätten, Zivilgesellschaft und politisch-historischen Bildungsträgern weiter verstärkt und ausgebaut werden.
Ausblick
Die Auseinandersetzung mit den Menschheitsverbrechen der Nationalsozialist*innen – die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung von Millionen Menschen aus antisemitischen, rassistischen, sozialen und politischen Gründen – hat in der deutschen Erinnerungskultur eine zentrale Bedeutung, historisches Lernen durch Forschung und politische-historische Bildungsarbeit sind wichtige Säulen unserer demokratischen Kultur.
Mit Blick auf ihre eigene Geschichte kann festgestellt werden, dass die bundesrepublikanische Erinnerungskultur seit ihren Anfängen ein umkämpftes Feld ist. Geschichtspolitische Interventionen sind nicht von ungefähr Kernelemente nationalistischer Politik, geschichtsrevisionistische Äußerungen sowie die implizite Forderung nach Änderungen der Erinnerungskultur, nichts anderes als Angriffe auf die Demokratie. Dass solche Forderungen heute wieder lauter und unverhohlen in die Öffentlichkeit getragen werden, zeigt die Brisanz unseres Arbeitsfeldes und welche Bedeutung eine demokratische Erinnerungskultur, verstanden als gesellschaftlicher Auftrag, hat.
Die Vermittlungsarbeit zur NS-Geschichte von zivilgesellschaftlichen Initiativen mit Stadtteilrundgängen, Vorträgen und Workshops, die pädagogische Arbeit an Gedenkstätten und die künstlerische Auseinandersetzung im öffentlichen Raum ermöglichen einen kritisch-selbstreflexiven Umgang mit der eigenen Geschichte und Gegenwart. Die Aufgabe der Politik ist es, sie zu stärken – strukturell und finanziell.