Rechte „Montagsdemos“ nicht verharmlosen!
Einschätzung des Netzwerks Tolerantes Sachsen zu den aktuellen Protesten in Sachsen
Nach Erkenntnissen der Polizei versammeln sich derzeit in Sachsen wieder regelmäßig mehr als 30.000 Menschen in den kleinen, mittleren und großen Städten. Die meisten Demonstrationen finden montags statt, aber auch an anderen Tagen wird an einigen Orten protestiert. Als Anlass dienen der Krieg in der Ukraine und seine Folgen in Deutschland. Allerdings haben die gleichen Akteur_innen nach unseren Beobachtungen in der Vergangenheit bereits zu den Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen oder gegen die Aufnahme von Geflüchteten aufgerufen. Auf ihren Versammlungen treten alle Spielarten des sächsischen Rechtsextremismus auf, es werden diverse Verschwörungsideologien und Desinformationen über den russischen Angriffskrieg oder die Corona-Pandemie verbreitet.
Zwar mögen die Kundgebungen oder „Spaziergänge“ nach Außen einen friedfertigen Charakter haben, jedoch kommt es am Rande der Versammlungen immer wieder zu Angriffen auf Journalist_innen oder Gegendemonstrant_innen. Auf den Demos wird mittlerweile offen zum Systemwechsel oder Systemumsturz aufgerufen. Diese Forderungen implizieren das (rechtswidrige) Verhaften oder Bestrafen von Politiker_innen oder anderer Persönlichkeiten, die in den Augen vieler Demonstrierender Feindbilder darstellen. Auch ist zu beobachten, dass Rassismus und Antisemitismus auf den Demonstrationen häufig in Wort und Bild geäußert werden. Nach Einschätzung des Netzwerks Tolerantes Sachsen kann deshalb mitnichten Entwarnung gegeben werden. Sowohl die Zivilgesellschaft wie auch die Politik, die Verwaltung und die Polizei sind aufgefordert, die Demonstrationen nicht zu verharmlosen.
Im Besonderen geht es uns um diese Punkte:
1. Die extreme Rechte in Sachsen befindet sich seit Jahren in einem Wandel. Zentrale Akteur_innen setzen mindestens seit Pegida 2014 auf das Konzept der Selbstverharmlosung, indem sie in Wort und Bild bürgerlich auftreten, um für die gesellschaftliche Mitte anschlussfähig zu sein. Um dieses Tarnspiel aufzuklären, braucht es gute Recherche und guten Journalismus, aber auch Sicherheitsbehörden, die den Trends der Szene nicht hinterherlaufen. Rechte Scharfmacher_innen sind keine besorgten Bürger_innen – sie sind schlicht Rechtsextreme.
2. Die Gefahren für die Demokratie gehen jedoch nicht nur von extremen Rechten aus. Seit der Corona-Pandemie haben wir leidvoll erfahren, welchen Schaden Verschwörungsideologien und Desinformationen verbreiten können. Wenn Menschen falsche Informationen über die Pandemie oder den Krieg in der Ukraine beziehen, erschwert dies ein umsichtiges, verantwortungsvolles Verhalten in der Krise. Verschwörungsideolog_innen zeichnen ein düsteres Bild von der Welt und vermitteln die falsche Vorstellung einer im geheimen operierenden Elite, die zum Schaden der Mehrheit handelt. Dadurch verlieren Menschen ihr Vertrauen in Politik, Medien oder Wissenschaft und wenden sich Demokratiefeinden zu. An dieser Stelle muss weiter in die Aufklärung investiert werden und müssen gefährliche Verschwörungsideolog_innen oder Desinformationskanäle kritisch begleitet werden.
3. Rechte Proteste und Aufmarschgebiete sind konkrete Angsträume, sie schränken den Bewegungsspielraum von Menschen ein und steigern die Gefahr für Gruppen und Einzelpersonen, die als Feindbilder dienen. Dazu gehören u.a. Journalist_innen, Aktivist_innen der Gegenproteste, Demobeobachter_innen und Menschen, die von Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind. Voraussichtlich werden in nächster Zeit auch Geflüchtete aus der Ukraine verstärkt im Fokus rechter Gruppen und Propaganda stehen. Es bedarf daher konkreter Formen der Solidarität und Unterstützung.
4. Die aktuelle Krise, welche durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöst wurde, führt wahrscheinlich zu erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Viele Menschen machen sich aktuell Sorgen, wie es für sie weitergehen kann. Gleichzeitig zeigen aber auch viele Menschen Solidarität, indem sich beispielsweise Nachbarschaftshilfen organisieren.
5. Viele Menschen werden real unter der aktuellen Krise leiden. In unseren Projekten und Einrichtungen werden wir die sozialen Verwerfungen und Auswirkungen zu spüren bekommen. Etwa Menschen, die aufgrund ihrer ökonomischen Situation nicht mehr in der Lage sein werden, zu heizen oder die Kosten des alltäglichen Bedarfs abzusichern. Diese Menschen mit geringen Ressourcen müssen daher stärker in den Blick genommen werden. Sei es durch praktische und solidarische Hilfe in der Nachbarschaft oder durch Protest auf der Straße, getragen von einer solidarischen Gesellschaft der Vielfalt. Den Unmut auch auf der Straße zu artikulieren und konkrete Forderungen an die Politik zu formulieren, muss Aufgabe demokratischer Bündnisse sein.
Die Sprecher_innen des Netzwerks Tolerantes Sachsen
Diese Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.