Rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist Realität in Sachsen
ADB veröffentlicht Testing-Ergebnisse
Pressemitteilung: Menschen mit Migrationsgeschichte und Geflüchtete erleben bei der Wohnungssuche und -vergabe in Sachsen rassistische Diskriminierung. Das geht aus dem Abschlussbericht eines Testings hervor, welches das Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. (ADB) im November 2016 durchgeführt hat.
Hintergrund und Ergebnisse des Testings sowie die Publikation „Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt – Situationsbeschreibung & Handlungsempfehlungen“ präsentierte das ADB der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz am 19. Oktober 2017.
Mit dem Testing verfolgte das ADB das Ziel, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – konkret beim Zugang zu Wohnraum – sichtbar und belegbar zu machen. Mit einem deutlichen Ergebnis: In 60% der Fälle lag eine klare Diskriminierung vor, 22,5% waren nicht auswertbar und lediglich 17,5% der Fälle waren keine Diskriminierung. Somit haben die Wohnungsanbieter_innen in über der Hälfte der Fälle diskriminiert.
Die durchgeführte Erhebung ist sachsenweit einzigartig und deckt sich mit den Erfahrungen, die das ADB im Rahmen seiner langjährigen Beratung dokumentiert und analysiert hat. So hat das ADB allein im zweiten Halbjahr 2016 über 50 Fälle von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – zusätzlich zum Testing – dokumentiert. Diese Häufung von Fällen in der Beratungsarbeit ist zugleich Anlass zur Entwicklung und Durchführung des Testings gewesen.
Sotiria Midelia, Geschäftsführerin des Antidiskriminierungsbüros Sachsen:
„Das Testing als auch die Fallsammlung aus der Beratungspraxis zeigen, dass Benachteiligungen von Menschen mit Fluchterfahrung/ Migrationsgeschichte auf dem sächsischen Wohnungsmarkt keine Einzelfälle sind. Vielmehr stellen sie ein strukturelles Problem dar. Die Argumentationsstrategien der Wohnungsanbieter_innen folgen dabei vergleichbaren Mustern: von der direkten Ablehnung von Geflüchteten als Mieter_innen, über rassistische Zuschreibungen bis hin zu Alibiaussagen wie z.B., dass die Wohnung schon vermietet sei. Diese zum Teil offenen Diskriminierungen finden trotz eines klaren Diskriminierungsverbotes statt, wie es im §19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) festgehalten ist.“
Das Testing: Diskriminierung in 60 % der Fälle
Das Testing ist ein Instrument der Antidiskriminierungsarbeit, um verdeckte Diskriminierung sichtbar zu machen. Dabei begeben sich mindestens zwei in allen wesentlichen, entscheidungsrelevanten Merkmalen möglichst vergleichbare Personen in dieselbe Situation. Sie unterscheiden sich lediglich in einem diskriminierungsrelevanten Merkmal. Im vorliegendem Testing entwickelte das ADB eigens zwei verschiedene Testidentitäten und eine Vergleichsidentität: eine geflüchtete Person mit dreijährigem Aufenthaltsstatus, eine hauptamtlich tätige Flüchtlingssozialarbeiterin, die auf der Wohnungssuche für Klient_innen war, und eine mehrheitsdeutsche Person als Vergleichsidentität. Alle drei kontaktierten dieselben 50 Wohnraumangebote innerhalb kurzer Zeitabstände. Dabei wurden sowohl private Angebote als auch Wohnungsgenossenschaften einbezogen. 40 Wohnraumangebote konnten in die Auswertung einfließen.
Der direkte Vergleich zeigt: Die Wohnungsgesuche der Testidentitäten wurden überdurchschnittlich häufig abgewiesen. Die Vergleichsidentität der mehrheitsdeutschen Person wiederum erhielt in allen Fällen, in denen die geflüchtete Person bzw. die Flüchtlingssozialarbeiterin zurückgewiesen wurde, einen Termin zur Wohnungsbesichtigung für dieselben, angefragten Wohnungen. Die Fälle der Schlechterbehandlung der Testidentitäten gegenüber der mehrheitsdeutschen Vergleichsidentität umfassen z. B. offene Ausschlüsse wie „Der Eigentümer möchte keine Ausländer“, Alibi Aussagen wie „die Wohnung ist schon vergeben“, das Aufschieben eines Besichtigungstermins oder das Auferlegen zusätzlicher Hürden. Insgesamt fand bei 40 ausgewerteten Wohnungsanfragen in 60 % der Fälle eine Diskriminierung statt (in absoluten Zahlen: Diskriminierungsfälle: 24, keine Diskriminierungsfälle: 7, nicht auswertbare Fälle: 9).
Die Suche nach einer privaten Wohnung und das Risiko, bei der Wohnungsvergabe Benachteiligung zu erfahren, ist jedoch nur eine Lebensrealität von Menschen mit Fluchterfahrung/Migrationsgeschichte. So findet Diskriminierung bereits bei der Unterbringung von Geflüchteten statt. Dazu Mark Gärtner, Pressesprecher des Sächsischen Flüchtlingsrats:
„Diskriminierung von Geflüchteten ist strukturell vorgegeben. Aus einer Gemeinschaftsunterkunft oder Erstaufnahmeeinrichtung heraus ist es schwierig, eine Wohnung zu finden. Allein die nahezu 12.200 Menschen mit Flüchtlingsanerkennung, die nach wie vor nicht in ihrer eigenen Wohnung leben, belegen das.“
Iris Fischer-Bach, Beraterin im ADB, erklärt abschließend:
„Rassistische Diskriminierung ist kein individuelles Problem und Betroffene müssen Diskriminierung nicht hinnehmen. Ihnen stehen Rechte zu und sie können sich wehren. Gerne unterstützen wir Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Das Wohnen in der eigenen Wohnung ist ein wichtiger Bestandteil selbstbestimmten Lebens und ein Menschenrecht.“
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Die Publikation „Rassistische Diskriminierung auf dem sächsischen Wohnungsmarkt – Situationsbeschreibung & Handlungsempfehlungen“ kann bei uns als Print-Version gegen eine Schutzgebühr bestellt werden. Wir bieten sie auch als kostenfreien Download an.