Radikale Offenheit: Die Stadt für alle, die da sind
Kollektives Handeln ist möglich, auch wenn sich Biografien und Machtpositionen unterscheiden.
Solidarische Allianzen
Dieses Verständnis von Politik als ein Handeln in Beziehungen hat auch Einfluss auf die Frage nach kollektivem Handeln unter ungleichen Verhältnissen, auf die Frage nach Allianzen in einer postmigrantischen, kapitalistischen, strukturell rassistischen und patriarchalen Gesellschaft.
„Die Enttäuschung darüber, daß sich in unseren Anfängen alte Unrechtsrealitäten vererben, entlarvt eine Ideologie der Sauberkeit, die von den Anfangenden ein ,autonomes‘ und unbeflecktes, also beziehungsloses Handeln und von den Anfängen eine unheiltilgende, sozialhygienische Wirkung erwartet.“38
Das Recht auf Stadt ist keine Idee, die zu Paternalismus und Charity einlädt. So kämpfen nicht Staatsbürger:innen für die Rechte von Geflüchteten, sondern bestenfalls Stadtbewohner:innen und Nachbar:innen gemeinsam um Rechte – ein völlig anderes Selbstverständnis, das Selbstbestimmung und die gemeinsame Nachbarschaft, die Migrationsgesellschaft und Solidarität zum Bezugspunkt macht, anstatt die individuelle Nettigkeit der Helfer:innen. Das soll die Ungleichheit in Rechtsstatus und Prekarität nicht einfach unsichtbar machen. Doch es kann solidarische Beziehungen stiften und Raum für Allianzen39 eröffnen. Kollektives Handeln ist möglich, auch wenn sich Biografien und Machtpositionen unterscheiden.40 „Solidarität hat Gleichheit nicht zur Voraussetzung, sondern zum Ziel“41 – auf dass wir irgendwann einfach Nachbar:innen sein können.
38 Thürmer-Rohr (1997): 19.
39 Zur Idee der Allianz als postmigrantische Form der Solidarität siehe Stjepandić/Karakayalı (2018).
40 Vgl. ebd.
41 Adamczak, zitiert nach Arps (2018).
Zur Autorin
Hannah Eitel arbeitet als Bildungsreferentin bei Weiterdenken und für den Verbund der Heinrich-Böll-Stiftungen zu Strategien gegen Rechtspopulismus. Sie hat Politikwissenschaft in Dresden und New York studiert. Ihre Abschlussarbeit verfasste sie über die völkischen und autoritären Vorstellungen von Gemeinschaft und Demokratie bei Pegida. Davor forschte sie zu Antiromaismus und Schuldabwehr. Sie ist zum Thema Recht auf Stadt politisch aktiv.