PM: Schutz vor Corona – Geflüchtete nicht vergessen – Lager und Knäste schließen!
flattenthecurve! Sammelunterkünfte auflösen, Abschiebungen stoppen!
Der SFR ruft das Innenministerium auf, akute Maßnahmen zu ergreifen, um alle auf sächsischem Gebiet lebenden Menschen zu schützen. Bisher ist eine Kommunikation des Innenministeriums nicht erkennbar. Im Fall eines Menschen in Abschiebehaft Dresden soll der Betroffene bis Mitte Mai dort ausharren. Auch andere marginalisierte Gruppen, wie Wohnungslose, dürfen jetzt nicht vergessen werden!
Der Ausbruch des Corona-Virus trifft die gesamte Gesellschaft, auch Geflüchtete. Viele von ihnen leben in den sächsischen Lagern, den Aufnahmeeinrichtungen, oder auch den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften. Das Risiko, dort zu infizieren, ist hoch! Gemeinschaftsküchen, geteilte Sanitäranlagen, Mehrbettzimmer – social distancing ist unmöglich. Der SFR fordert nun, die Gesundheitsversorgung geflüchteter Menschen in Sachsen akut sicherzustellen.
Mark Gärtner vom SFR dazu: „Auf Grund der schon immer gegebenen, engen Verzahnung der Gesundheit Geflüchteter mit der Unterbringung bedeutet das: die Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte müssen schnellstmöglich aufgelöst werden.“
Umsetzbar sollte das sein. Hotels und Hostels dürften leerstehen. Fatal wäre es, wenn eine Aufnahmeeinrichtung oder eine Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne gestellt wird. Im thüringischen Suhl ist das bereits am Wochenende geschehen.
„Eine Isolation von etwa 500 Menschen auf einen Schlag kann auch in Dresden, Leipzig, Chemnitz drohen.“ meint Gärtner. „Sammelunterkünfte waren schon immer eine menschenunwürdige Idee. Nun zeigt sich: sie sind eine katastrophale Idee!“
Bereits am Sonntag hatte der Verein in einer E-Mail an das Innenministerium gefragt, welche Maßnahmen nun ergriffen werden. Ene Antwort steht nach wie vor aus. Mit der verlängerten Inhaftnahme eines Menschen russischer Staatsbürgerschaft in der Abschiebehaftanstalt Dresden bis Mitte Mai scheint jedoch klar zu sein: die sächsische Linie zielt derzeit auf Isolation.
Folgende Maßnahmen müssen nach Ansicht des SFR stattdessen ergriffen werden. Sie lehnen sich an die PM des Bayerischen Flüchtlingsrats e.V. von heute an.
Gesundheitsversorgung
Die Gesundheitsversorgung und die freie Arztwahl müssen für alle Geflüchteter gesichert sein. Eine ärztliche Behandlung darf nicht vom Vorliegen eines Krankenscheins nach dem AsylbLG abhängig gemacht werden.
Illegalisierte im Sinne des #flattenthecurve schützen!
Es ist notwendig, Illegalisierten (Untergetauchten) den Zugang zum regulären Gesundheitssystem zu ermöglichen. Dies sollte epidemiologisch Sinn ergeben, ist vor allem aber wichtig für Betroffene! Dafür muss den illegalisierten Menschen versprochen werden, dass Gesundheitsämter keine Informationen an Ausländerbehörden und Polizei weitergeben werden. Eine temporäre Gesundheitskarte einzuführen wäre eine Lösung.
Betreuung im Infektionsfall
Sollten Infektionsfälle auftreten, muss für eine adäquate Betreuung gesorgt werden. Werden einfach nur Gebäudetrakte oder ganze Unterkünfte von Polizei und Sicherheitsdiensten abgeriegelt, wirkt das nicht wie eine Schutzmaßnahme, sondern wir Strafarrest. Sollte es dazu kommen, dass ein Mensch positiv auf Corona getestet wird, der*die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft lebt, müsste unseres Erachtens alle dort lebenden Menschen getestet werden. Gesunde Menschen müssten dann raus aus der Aufnahmeeinrichtung. So wird verhindert, dass noch gesunde Menschen in der Quarantäne einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft infizieren.
Umfassende Information
Die Bevölkerung in Sachsen ist höchst verunsichert ob der Gefahren einer Coronainfektion. Das gilt umso mehr für Geflüchtete, die aufgrund fehlender oder geringer Deutschkenntnisse vom Informationsfluss abgeschnitten sind. In Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden müssen schnell Informationsmaterialen übersetzt und in den Unterkünften in den Sprachen der dort untergebrachten Geflüchtete zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollten Telefon-Hotlines mit Übersetzer*innen geschaltet werden für alle Geflüchteten und Migrant*innen in Sachsen, um drängende Fragen direkt beantworten zu können. Mehrsprachige Hinweise haben die Johanniter über das Corona-Virus zur Verfügung gestellt, der SFR arbeitet mit Hochdruck an sachsenspezifischen Hinweisen, unter anderem zu den Hotlines der Gesundheitsämter.
Zugang für ehrenamtliche Helfer*innen
Ehrenamtliche müssen Unterkünfte weiter betreten dürfen, um die von ihnen betreuten Menschen zu beraten und über die Gefahren, Risiken und Vorbeugemaßnahmen zu informieren.
Alle Termine absagen
Termine bei Behörden bergen ein unabsehbares Infektionsrisiko, weil sich hier besonders viele Geflüchtete in engen Wartebereichen über längere Zeit aufhalten müssen. Deshalb müssen alle Termine bei BAMF, Ausländerbehörden, Sozialämtern und Verwaltungsgerichten abgesagt werden, um Infektionsgefahren zu minimieren. Zudem muss das BAMF unbedingt mit allen Entscheidungen stoppen! Beratungsstellen und Kanzleien schließen nach und nach. Der Zugang zu einer effektiven Rechtsberatung ist nicht mehr gewährleistet.
Fristen aussetzen
Wenn Geflüchtete ihren BAMF-Bescheid zugestellt bekommen, haben sie in der Regel zwei Wochen Klagefrist. Zudem setzen Ausländerbehörden Fristen zur Beschaffung von Dokumenten und Ausweisen über Familienangehörige, Botschaften und Konsulate. Alle diese Fristen müssen sofort ausgesetzt werden, um zu verhindern, dass Geflüchtete trotz massiver Infektionsrisiken zu Behörden, Gerichten, Botschaften und Konsulaten fahren.
Ausweispapiere unbürokratisch verlängern
Durch einen solchen Wegfall direkter Vorsprachen bei den Ausländerbehörden können Ausweispapiere ablaufen, die verlängert werden müssen. Aufenthaltsgestattungen, Aufenthaltserlaubnisse und Duldungen müssen vorübergehend unbürokratisch verlängert und, sofern nicht anders möglich, mit der Post zugestellt werden.
Sozialleistungsauszahlungen sicherstellen
Es muss vermieden werden, dass unter Verweis auf Coronainfektionsrisiken der Zutritt zu Sozialämtern verwehrt wird und Geflüchteten zustehenden Sozialleistungen nicht ausbezahlt werden. Dem Bayerischen Flüchtlingsrat sind dahingehende Berichte bekannt. Die Auszahlung des menschenwürdigen Existenzminimums muss gewährleistet werden, notfalls vor Ort in den Unterkünften.
Entzerrung der Belegung in Unterkünften
In vielen Unterkünften stehen Betten leer, regelmäßig werden deshalb einzelne Zimmer und ganze Gebäudetrakte geschlossen. Die leerstehenden Zimmer müssen geöffnet werden, um die Belegung der Unterkünfte zu entzerren und die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zwischen den Bewohner*innen zu ermöglichen. Parallel dazu müssen die Menschen raus aus den Unterkünften und im Zweifel in leerstehende Wohnungen, Hostels oder Hotels verlegt werden. Gleichzeitig schützen diese Maßnahmen auch die gesamte Belegschaft, die in den Sammelunterkünften arbeitet.
Abschiebungen stoppen
Abschiebungen innerhalb Europas finden nur noch eingeschränkt statt, auch der Luftverkehr ist deutlich reduziert. Beispielsweise gibt es derzeit keine Flugverbindungen nach Marokko mehr. Dennoch kommt es wohl immer noch zu Abschiebungen, obwohl dies die Gefahr birgt, eine Infektion mit Corona zwischen abzuschiebenden Geflüchteten, Landes- und Bundespolizeibeamt*innen und Flugpersonal zu ermöglichen. Dies kann dazu führen, dass der Coronavirus in andere Länder weitergetragen wird. Abschiebungen müssen deshalb vorübergehend generell ausgesetzt werden.
Abschiebehaft beenden
Immer noch befinden sich Menschen in der Abschiebehaft Dresden, obwohl ihre Abschiebungen nicht durchgeführt werden können. Die Abschiebehaft muss komplett geschlossen und die inhaftierten Menschen müssen entlassen werden! Keine Ausländerbehörde kann derzeit sicher davon ausgehen, dass weiter in Zielländer abgeschoben wird können.
Solidarität mit Wohnungslosen!
Der SFR schließt sich weiterhin den Initiativen an, die den Zugang für Wohnungslose in geschützte Räume, weg von Notunterkünften fordern und zur Prävention von Wohnungslosigkeit Zwangsräumungen und dergleichen auszusetzen.
Kontakt
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
-Projekt Fremde.Orte / Politik, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit-
Mark Gärtner
Tel.: 0351 / 33 23 55 94
Mobil: 0157 / 566 377 02
Mail: pr@sfrev.de