PM – Integration und Teilhabe für alle: Das sächsische Integrations- und Teilhabegesetz muss gleichberechtigte Möglichkeiten für alle Menschen mit Migrationsgeschichte schaffen.
Autor_innen: Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
29.08.2023
Der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. begrüßt, dass Sachsen hoffentlich endlich bald ein Integrations- und Teilhabegesetz bekommt. Die breite Beteiligungsmöglichkeit am Gesetzentwicklungsprozess in den letzten Jahren hat große Hoffnungen auf die Inhalte geweckt. Im aktuell vorliegenden Referentenentwurf muss der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. jedoch leider deutliche Nachbesserungsbedarfe feststellen.
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum aktuellen Referentenentwurf hat der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. Stellung genommen. Unsere Geschäftsführerin Angela Müller betont, dass der Entwurf leider “mehrere kritikwürdige Bestandteile enthält, die einer gleichberechtigten Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte entgegenstehen.”
Keine Reduktion auf Wirtschaft
Im Entwurf wird Integration und Teilhabe wiederholt auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Menschen mit Migrationshintergrund reduziert: “Zwar sind die wirtschaftlichen Vorteile von Migration für Sachsen unbestreitbar”, so Müller. Die Notwendigkeit von Teilhabe und Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte darf aber nicht allein durch wirtschaftliches Eigeninteresse begründet werden: Die gleichberechtigte Integration und Teilhabe von allen Menschen mit Migrationsgeschichte in Sachsen ist vor allem ein menschenrechtliches Gebot!
Pflichtaufgabe für Kommunen
Wir kritisieren zudem, dass der Gesetzentwurf die Integrationsarbeit als freiwillige Aufgabe der Kommunen definiert. Integration und Teilhabe kann am Ende des Tages aber nur in den Kommunen stattfinden und müssen daher als kommunale Pflichtaufgabe verankert werden. Hier hat es aber nicht an das Sozialministerium gescheitert, sondern vielmehr an die sächsischen Kommunalverbände: Im Rahmen der zuletzt überspitzen Überforderungsdebatte weigern sich sächsische Kommunen zunehmend vor jeglicher Verantwortungsübernahme für Integration und Teilhabe. “Da steckt aber ein Denkfehler drin – Integration und Teilhabe darf nicht primär als Kostenposten verstanden werden, sondern vielmehr als Schlüssel zur produktiven Beteiligung aller Bürger*innen – unabhängig davon, wo sie herkommen”, so Müller. “Zum Glück gibt es aber vereinzelt sächsische Kommunen, die diesen Schlüssel erkannt haben und längst eigenverantwortlich ins Machen gegangen sind, wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Dresden.
Wenn das Gesetz diskriminiert
Leider mussten wir noch feststellen, dass das Gesetz laut Entwurf wohl doch nicht für alle in Sachsen lebenden Menschen mit Migrationsgeschichte gelten soll – und somit in sich diskriminierend ist. Insbesondere werden Menschen mit einer Duldung ausgeschlossen. Warum, ist überhaupt nicht nachvollziehbar: Viele dieser Menschen leben schon seit geraumer Zeit hier und haben schon längst ihren Lebensmittelpunkt bei uns gefunden. Zudem hat der Bund in den letzten Jahren mehrfach Regelungen eingeführt, die gut integrierten Menschen mit Duldung ein Bleiberecht ermöglichen sollen. Müller argumentiert, dass das Gesetz – sollte es so kommen – mehrere tausend Menschen in Sachsen von den Unterstützungsmaßnahmen ausschließen wird und fügt hinzu: “Dies steht nach dem Verständnis des Sächsischen Flüchtlingsrates e.V. im starken Widerspruch zur Idee eines Gesetzes für gleichberechtigte Integration und Teilhabe.”
Die Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte, insbesondere von Geflüchteten, in die Gesellschaft wird bereits jetzt in vielen Fällen durch gesetzliche oder behördliche Hürden erschwert – so zum Beispiel im Bereich des Wohnungs- und Arbeitsmarktes. Müllers Fazit: “Das Integrations- und Teilhabegesetz sollte letztendlich als Ziel haben, Hürden abzubauen sowie Zuständigkeiten klarzustellen. Dabei müssen vor allem die Menschen im Zentrum stehen, die vom Gesetz betroffen sind. Leider müssen wir aber feststellen, dass dies bei wichtigen Themen wie Menschen mit Duldung oder den Aufgaben der Kommunen nicht der Fall ist.”