Nach der Demo ist vor der Demo – Praktische Tipps gegen Rechtsextremismus


Autor_innen: Amadeu Antonio Stiftung

Lorenz Blumenthaler |

Von Hamburg über Hannover bis München, von Saarbrücken über Cottbus bis Görlitz: Mehr als 1.500.000 Menschen demonstrieren am Wochenende gegen Rechts und das nicht nur in den Metropolen, sondern auch in kleineren Städten, im ländlichen Raum und selbst in vermeintlich rechten Hochburgen. Doch was bleibt, wenn die Demonstration vorbei ist?

5 praktische Tipps gegen Rechtsextremismus:

  1. Positionieren – Rechtsextreme ächten!
    Viel zu lange haben rechtsextreme, antisemitische und rassistische Positionen zu wenig Widerspruch erhalten. Rechtsextreme nutzen jeden Raum, der sich ihnen bietet. Es ist unserer aller Aufgabe, ihnen diesen Raum zu nehmen, ob auf der Straße, in den Parlamenten oder im Privaten. Ausgangspunkt ist immer die eigene Haltung: Wofür stehe ich, wie will ich leben und in was für einer Gesellschaft? Wir sind mehr: Und das gilt es offensiv nach außen zu tragen!
  2. Widersprechen!
    Ob im eigenen Verein, im Gespräch mit Nachbar*innen, Freundeskreis oder auf Social Media: Bei Positionierungen, die du als falsch oder gar menschenverachtend erachtest, gilt es konsequent zu widersprechen. Das geht auch vom Sofa aus. Klar, nicht immer geht es dabei darum, den oder die Gegenüber zu überzeugen. Wichtiger ist oft, gegenüber Umstehenden, die unsicher sind, deutliche Positionierungen, gute Argumente und eine klare Haltung zu zeigen.
  3. Solidarisieren!
    Immer und überall als erstes: Mit Personen solidarisieren, die von diskriminierenden und menschenverachtenden Anfeindungen betroffen sind. Du kannst deine Unterstützung zeigen, indem du dich mit ihnen gegen Anfeindungen verbündest – sowohl mit direktem Zuspruch als auch mit öffentlichen Statements. Ganz wichtig dabei: Empathisch bleiben und auch einfach mal nachfragen, ob im Freundes- oder Kolleg*innenkreis, was etwa die Deportationspläne von Rechtsextremen mit Betroffenen machen.
  4. Informiert euch!
    Rechtsextreme, nationalistische Akteur*innen im eigenen Umfeld erst einmal einschätzen: Wer ist aktiv? Gibt es Netzwerke? Wie agieren sie? Wie argumentieren sie? Welche Inhalte vertreten sie? Was sind ihre Strategien? Wie versuchen sie, Inhalte für ihre menschenfeindlichen Zwecke zu instrumentalisieren? Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft und sich informiert, ist besser vorbereitet und kann sich so besser wehren, ob im Gespräch oder der direkten Auseinandersetzung. Dasselbe gilt auch für mögliche Verbündete.
  5. Organisiert und engagiert euch.
    Auf Demos gegen Rechts zu gehen, ist wichtig. Nicht, nur, um ein Zeichen zu setzen, sondern auch, um ins Handeln zu kommen, um zu sehen, man ist nicht allein. Doch, um Demokratie zu verteidigen, müssen wir noch mehr tun. Es gilt, eine Gegenmacht zu organisieren: Welche zivilgesellschaftlichen Akteure gibt es vor Ort, wo kann ich mich einbringen? Wo treffe ich auf Gleichgesinnte und was können wir gemeinsam tun? Kreativität zahlt sich aus, es müssen nicht immer Demonstrationen sein: Was lässt sich noch organisieren?

Gemeinsam Demokratie verteidigen – so bewirkst du am meisten:

  1.  Mach sichtbar, dass du da bist…
    Rechtsextreme erzählen das Märchen, dass sie „das Volk“ vertreten, dass sie für eine Mehrheit sprechen und eigentlich nur das sagen, was angeblich alle denken oder wollen. Sobald sich 200 versammeln, träumen sie schon vom Systemsturz. Die Demos gegen Rechts sind der Gegenbeweis: Wir lassen rechtsextreme Politik nicht unwidersprochen – oder glauben, dass sich das alles irgendwie von selbst erledigt. Kurz: Wir sind mehr! Wir sind Zivilgesellschaft und wenn es der Staat nicht schafft, verteidigen wir Demokratie!
    Das motiviert andere: Denn trotzdem wissen noch immer nicht alle, dass diese Demos stattfinden. Oder sie wissen nicht, mit wem sie hingehen sollen. Wenn ihr zeigt, dass ihr da wart und wie so eine Demo aussieht, macht das auch Demo-Neulinge neugierig. Teilt eure Fotos, Videos und Geschichten im Freundeskreis, der Familie, am Arbeitsplatz, per Social Media. Viele sind jetzt in Sorge um unsere Demokratie – laden wir sie ein, bei uns mitzumachen! Und vor allem hat die große Sichtbarkeit der Demos einen ganz wichtigen Effekt: Sie spornen immer mehr Leute an, auch bei sich im Ort eine Demo anzumelden und dafür zu trommeln.
  2. Stell dich an die Seite von Betroffenen
    Zum Kern der Demos gehören diejenigen, die rechtsextreme Politik und Ideologie direkt erleben: Betroffene von Diskriminierung und Gewalt, bedrohte Engagierte, Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen. Diese Menschen brauchen und verdienen jede Solidarität. Gemeinsam mit ihnen zu demonstrieren, gibt ihnen die Gewissheit, dass sie gehört und gesehen werden. Immer wieder kommt es von außen oder schlimmstenfalls auch innerhalb von Demos zu Anfeindungen und Bedrohungen gegen diese Engagierten und Betroffenen. Zeig dich solidarisch und stell dich schützend an ihre Seite.
  3. Tausch dich mit Gleichgesinnten aus!
    Vielleicht bist du sonst nicht unbedingt aktivistisch unterwegs, dein Freundeskreis ist sonst nicht so politisch oder irgendwie fühlst du dich fehl am Platz? Nutze doch die Gelegenheit, um mit Leuten um dich herum ins Gespräch zu kommen. Was ist der bessere Icebreaker als die Einigkeit darüber, dass wir nicht so leben wollen, wie Rechtsextreme es sich vorstellen? Eventuell lernst du interessante Initiativen oder Projekte kennen, die du unterstützen kannst oder bei denen du mitmachen kannst?
  4. Wenn Hunderttausende gehen, braucht es dich nicht?
    Du hast das Gefühl, dass es keinen Unterschied macht, ob in München, Köln oder Berlin noch eine*r mehr kommt? Wenn das alle denken, würden viele zu Hause bleiben – aber nur, wenn wir viele sind, bleiben wir die laute Mehrheit. Aber eventuell fährst du stattdessen auch einfach ein Stück weiter: Gerade in kleineren Städten und in ländlicheren Regionen ist es nicht selbstverständlich, dass jetzt so viele Leute auf die Straße gehen. Zeig’ doch dort deine Unterstützung, das macht Mut und schützt auch vor Anfeindungen.

  5. Habt Spaß!
    So ernst und bedrückend die Anlässe sind, warum so viele Menschen gerade auf die Straße gehen: Demos gegen Rechts können und sollen auch Spaß machen. Sie sind der sichtbare Gegenentwurf zu dem Leben, das Rechtsextreme sich vorstellen. Habt ihr auf deren Demos schonmal jemanden lachen sehen? Während Rechtsextreme Massenabschiebungen planen und von einem völkischen Nationalstaat träumen, sind die Demos gegen Rechts auch ein Ausdruck der Gesellschaft, in der wir leben wollen. Es gibt unzählige Wege, sich für eine demokratische Gesellschaft der Vielen einzusetzen. Werdet kreativ!

Weitere Informationen hier

Amadeu Antonio Stiftung

Die Amadeu Antonio Stiftung reagiert auf eine rechtsextreme Alltagskultur, die sich vor allem in den neuen Bundesländern verankert hat. Das Ziel der Stiftung ist es, eine zivile Gesellschaft zu stärken, die dem Problem entschieden entgegentritt. Dafür unterstützt sie Initiativen und Projekte, die kontinuierlich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgehen, sich für eine demokratische Kultur engagieren und für den Schutz von Minderheiten eintreten. Die wichtigste Aufgabe der Amadeu Antonio Stiftung: Lokale Akteurinnen und Akteure über eine finanzielle Unterstützung hinaus zu ermutigen, ihre Eigeninitiative vor Ort zu stärken. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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