Leitfaden Rückführungspraxis – Wöllers Eiertanz um Minimalstandards bei Abschiebungen
Autor_innen: Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Koalitionsstreit über „Leitfaden Rückführungspraxis“ – CDU will nicht von höherrangigem Recht ‚gestört‘ werden
Seit rund eineinhalb Jahr streitet sich die sächsische Koalition aus Grünen, SPD und CDU über den sogenannten „Leitfaden Rückführungspraxis“, eine Verwaltungsvorschrift zu Abschiebungen mit Bindungswirkung für sächsische Behörden, wie zum Beispiel Ausländerbehörden und Polizei. Was die sächsische CDU im Kenia-Koalitionsvertrag unterschrieben hatte, versucht sie seit mehr als einem Jahr herauszuzögern: Minimalstandards des Familien- und Kinderwohls bei Abschiebungen.
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass CDU und Innenministerium mit einer beispiellosen Verzögerungstaktik verhindern wollen, dass der Leitfaden Rückführungspraxis umgesetzt wird. Der Leitfaden würde helfen, Abschiebungen so zu gestalten, dass diese zumindest ansatzweise die Menschenwürde und rechtsstaatliche Grundsätze wahren“, erklärt Jörg Eichler vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Nach Informationen der LVZ hatte das CDU-geführte Innenministerium rechtliche Bedenken gegenüber einer beabsichtigten Regelung im Leitfaden, die traumatisierende Trennungen von Familien verhindern wollte. Das Innenministerium halte die vorgesehene Verpflichtung der Ausländerbehörden, ein Aufklärungsgespräch mit potenziell betroffenen Familien zu führen und auf die Gefahr einer Familientrennung hinzuweisen, für rechtswidrig und praktisch nicht umsetzbar.
„Der Sächsische Flüchtlingsrat e.V. hält diesen Einwand für scheinheilig und absurd. Denn das Gegenteil ist der Fall. Es ist rechtswidrig, Abschiebungen unter Missachtung des im Grundgesetz verankerten Rechts des Schutzes der Familie (Art. 6 GG) und den in der Kinderrechtskonvention verbrieften Kinderrechten durchzuführen. Die CDU scheint in der Alltagspraxis der Behörden nicht von der Einhaltung höherrangigen Rechts ‚gestört‘ werden zu wollen. Dem sächsischen Innenministerium obliegt eigentlich auch der Schutz der Verfassung. Und trotzdem ignoriert es höherrangiges Recht bei seiner Prüfung so nonchalant“, so Eichler.
Familientrennungen und Kindeswohlgefährdung sind der traurige Alltag in Sachsen
Immer wieder kommt es zu Familientrennungen oder Kindeswohlgefährdung bei Abschiebungen aus Sachsen. Als Beispiele seien dabei das Abholen eines Jungen zur Abschiebung an seiner Grundschule zu nennen, wie geschehen bei Ahmad T. im November letzten Jahres. Oder die Familientrennung eines Mannes und seiner hochschwangeren Frau mit zwei Kindern, wie die traurige Geschichte der Familie E. aus Kamenz ebenfalls im November letzten Jahr zeigte.
„Der Leitfaden Rückführungspraxis kann nicht die großen Probleme der sächsischen Asyl- und Aufenthaltspraxis lösen, aber er muss zumindest besonders grausames Vorgehen bei Abschiebungen verhindern“, fordert Eichler.
„Rückführung“ ist ein Euphemismus
Zu bedenken sei abseits der Verzögerungstaktik, dass Rückführungen ein Euphemismus für einen gewalttätigen Vorgang darstellen. „Personen werden aus ihrem Leben gerissen, und in unsichere, prekäre Lagen im Herkunftsland abgeschoben. Diese gewaltsame Praxis geschieht teilweise nach Jahren oder Jahrzehnten des Ankommens, Arbeitens und Lebens in Sachsen. Dass sich die CDU so vehement gegen absolute Minimalstandards bei Abschiebungen für Familien und Kinder strebt, ist besorgniserregend“, so Eichler. „Wir erwarten eine zügige Verabschiedung eines grundrechtskonformen Leitfadens.“
Kontakt:
Sächsischer Flüchtlingsrat
– Jörg Eichler –
Mobil: 01575 / 967 62 20
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