Historisch ist nur die Absage an die Menschenrechte – Pressemitteilung vom Netzwerk der Migrant*innenbeiräte Sachsen

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Autor_in: Netzwerk der Migrant*innenbeiräte Sachsen (via Dachverband sächsischer Migrant*innenorganisationen e.V.)

Dresden, 15. Juni 2023

Vergangene Woche haben sich die Innenminister*innen der Europäischen Union auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Bestandteil der Einigung ist die Einführung verpflichtender Asylverfahren an den EU-Außengrenzen für Schutzsuchende aus Ländern, deren Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt. Die Verfahren sollen inklusive Rückführung bis zu drei Monate dauern. Ausgenommen sind unbegleitete Minderjährige, Familien mit Kindern allerdings nicht. Mit einem sogenannten Solidaritätsmechanismus sollen darüber hinaus alle EU-Mitgliedsstaaten bei der Verteilung von Geflüchteten in Verantwortung genommen werden – durch Aufnahme von Schutzsuchenden oder durch Geldzahlungen.

Francesca Russo, Co-Vorsitzende des Migrantenbeirats Leipzig, hält dazu fest: „Wir müssen leider stark befürchten, dass mit den Entscheidungen in der EU nicht nur ein weiteres, sondern viele Haftzentren entstehen werden. Es ist eine Farce, dass mit Verweis auf bestehende Standards der EU darauf verwiesen wird, dass Menschenrechte bei der Unterbringung eingehalten werden. Wo war die EU, um die Menschenwürde in Moria zu schützen? Die Bundesregierung redet von historischen Erfolgen und hat es nicht einmal geschafft, Familien von den fürchterlichen Plänen auszunehmen. Sie geht damit menschenfeindlichen Bewegungen in Deutschland und Europa auf den Leim und übergibt eine enorme Entscheidungskraft bezüglich der Schicksale vieler Geflüchteten an rechtspopulistisch geführte Regierungen in einigen Staaten, die an der EU-Außengrenzen liegen.“

Pedro Montero, Vorsitzender des Migrationsbeirats Chemnitz, ergänzt: „Anstatt den Menschen und ihren Herkunftsländern zu helfen, wird die Festung Europas weiter gestärkt: Menschen leiden unter Krieg, politischer Verfolgung und der Klimaerwärmung – vor allem im globalen Süden. Sie werden weiter Opfer von Schleppern und sterben im Mittelmeer. Die Abschreckungspolitik Deutschlands und Europas wird nicht funktionieren, wie sie schon die letzten 30 Jahre nicht funktioniert hat. Es werden auch Fach- und Arbeitskräfte abgeschreckt, um die sich die Bundesregierung aktuell so sehr bemüht.“

Ella Koppatsch, Vorsitzende des Ausländerbeirates Zittau ergänzt: “Menschen in Not, in welcher auch immer, werden sich so nicht aufhalten lassen, ihre angestammte Heimat zu verlassen. Und es ist egal, ob sie politische Verfolgung, systemische Diskriminierung, fehlende Chancen auf Bildung, gräulicher Wassermangel oder Hunger antreibt. Abschottung und Untergrabung der Menschenwürde an den Grenzen zu unserem Kontinent haben bereits in der Vergangenheit nicht funktioniert. Ertrunkene und auf der Flucht umgekommene Menschen – sind das der Preis für den Erhalt des Wohlstandes der alten Dame Europa? Mit diesem Kompromiss werden die Grundpfeiler der einst so fortschrittlichen europäischen Werte über Bord geworfen. Diese Reform der Europäischen Union verdient den Namen nicht! Sie ist keine Verbesserung des europäischen Asylrechts, sie zeigt einmal mehr, dass Globalisierung nie nur einseitig betrachtet werden kann.”

Viktor Vincze, Vorsitzender des Integrations- und Ausländerbeirates der Landeshauptstadt Dresden ergänzt: „Das Grundrecht auf Asyl wird weiter ausgehöhlt und uns mit nie dagewesener europäischer Solidarität und migrationspolitischen Paradigmenwechsel verkauft. Länder werden sich aus der Solidarität rauskaufen und wir werden sehen, dass unser hochgelobter Rechtsstaat und unsere europäischen Werte an den Außengrenzen nicht gelten und verzweifelte Menschen Monate an den Grenzen unter unwürdigen Bedingungen ausharren müssen. Wer kann  Geflüchteten da ein unabhängiges, rechtsstaatliches Verfahren garantieren? Wie kann dort die Sicherheit dieser Menschen gewährleistet werden? Das Gewissen der EU wurde einGEASchert.“

Die Mitglieder des Netzwerks der Migrant*innenbeiräte Sachsen bitten die Bundesregierung und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments das Vorhaben im weiteren Prozess noch zu verhindern und wirkliche Lösungen im Sinne der Menschen zu suchen.

Über das Netzwerk der Migrant*innenbeiräte Sachsen (MBS)

Das Netzwerk der Migrant*innenbeiräte Sachsen ist der Zusammenschluss der kommunalen Migrant*innenbeiräte Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zittau. Das Netzwerk vertritt die politischen Interessen der Migrant*innen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zittau und setzt sich für deren Belange auf Landesebene ein.

Kontakt

Mohamed Okasha – Netzwerksprecher

E-Mail: netzwerk.mbs@dsm-sachsen.de

Die Pressemitteilung gibt es HIER zum Download.

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Redaktion TolSax

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