Gemeinsame Pressemitteilung von RAA Sachsen, Sächsischer Flüchtlingsrat, Kulturbüro Sachsen: Untersuchungsausschuss IM – Mangelnder Datenschutz gefährdet tausende Personen
Autor_innen: RAA Sachsen, Sächsischer Flüchtlingsrat, Kulturbüro Sachsen
Dem Untersuchungsausschuss zur Mittelvergabe über die Richtlinie Integrativen Maßnahmen (RL IM) liegen weitreichende Unterlagen zum Förderverfahren vor. Darin enthalten sind die persönlichen Daten von mehr als 1000 Personen. Die betroffenen Organisationen kritisieren den mangelnden Datenschutz und befürchten eine konkrete Gefährdung benannter Personen, da die Daten über die AfD in rechte Netzwerke gelangen könnten.
Die in den Jahren 2015 bis 2019 über die RL IM geförderten Organisationen befürchten, dass die an den entsprechenden Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtag übergebenen Unterlagen tausende von personenbezogenen Daten enthalten, die für den Untersuchungsgegenstand nicht relevant sind. Die Organisationen sehen eine besondere Gefährdung der aufgeführten Personen.
Andrea Hübler, Geschäftsführerin der RAA Sachsen, erklärt dazu: „Wir haben starke Zweifel an der Verschwiegenheit der AfD und befürchten die Weitergabe der personenbezogenen Daten an die rechte Szene. Diese sammelt seit Jahren Personendaten für sogenannte Feindeslisten. Auch wenn die AfD-Abgeordneten im Untersuchungsausschuss zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, wäre es nicht das erste Mal, dass Dinge durchsickern. Einschüchterungen und Angriffe auf zivilgesellschaftliche Akteure, die sich für Demokratie, Geflüchtete und eine vielfältige Gesellschaft einsetzen, sind in Sachsen keine Seltenheit. Die Anzahl an solchen Übergriffen steigt. Ohne Not erhält die AfD nun personenbezogene Daten auf dem Silbertablett. Und die aufgeführten Personen wissen nicht einmal davon.“
Die Einberufung des Untersuchungsausschusses passe zudem in die Strategie der AfD, mit der die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie deren Förderung delegitimiert werden soll, führt Hübler aus. Die AfD missbrauche parlamentarische Instrumente, um ihre eigene Agenda zu verfolgen. Dieses Vorgehen und die damit verbundenen Gefahren für unsere Gesellschaft müssten in der Öffentlichkeit bewusster wahrgenommen werden.
Derzeit ist unklar, wie umfänglich die Förderunterlagen an den Untersuchungsausschuss gegeben wurden. Sollte es sich um die vollständigen Unterlagen handeln, sind in diesen beispielsweise auch Listen mit Veranstaltungsteilnehmenden sowie ehrenamtlich Engagierten oder Verträge mit Honorarkräften enthalten. Von hauptamtlich Beschäftigten der jeweiligen Vereine würde dies sehr detaillierte Unterlagen umfassen – von Privatadressen bis hin zu Lebensläufen.
„Wir finden es mehr als schwierig, dass wir bis jetzt nicht informiert wurden, in welchem Umfang Unterlagen weitergeben wurden. Verständlicherweise sind Organisationen und alle betroffenen Menschen beunruhigt darüber, dass sie pauschal in den Fokus einer Untersuchung geraten, obwohl sie für das Erkenntnisinteresse des Ausschusses unerheblich sind. Hinzu kommt, dass sie einer erhöhten Gefährdung durch extrem rechte Strukturen ausgesetzt werden. Wir haben gemeinsam mit einigen betroffenen Organisationen überschlagen, wie viele Personen bei vollständiger Aktenweitergabe betroffen sind und kamen allein dabei auf über 1.000. Wie viele Personen es tatsächlich sind, ist unklar, da niemand mit uns spricht und die Sorgen der Betroffenen nicht ernst genommen werden “, erklärt Hannah Franke, Vorstandsmitglied des Sächsischen Flüchtlingsrates. Die betroffenen Organisationen kritisieren die fehlende Sensibilität sächsischer Behörden für bestehende Bedrohungslagen. So liefen beispielsweise Anfragen bei der sächsischen Datenschutzbeauftragen ins Leere, obwohl einschlägige Rechtsprechungen die Sichtweise der Organisationen stützen.
Die Organisationen fordern, die Daten von Personen in den Unterlagen zu schwärzen, die für das Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses nicht von Bedeutung sind. Zudem wollen sie Auskunft über den Umfang der weitergegebenen Daten. Unabhängig davon möchten sie auf die Strategien der extremen Rechten hinweisen, die unter dem Vorwand der Aufklärung parlamentarische Instrumente nutzen, um Rechtsstaat und Demokratie zu untergraben.
Hintergrund
Dem von der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag einberufenen Untersuchungsausschuss zur Mittelvergabe über die Richtlinie Integrative Maßnahmen durch das sächsische Sozialministerium übergab die Sächsische Aufbaubank im April 2024 die Unterlagen zu Förderverfahren der Jahre 2015 bis 2019. Von bis zu 200.000 Aktenblättern ist laut Medienberichten die Rede. Die betroffenen Organisationen wurden offiziell nicht darüber informiert, ob und in welchem Umfang Unterlagen über sie weitergegeben wurden und inwieweit sie Untersuchungsgegenstand sind. Anstoß für das gesamte Verfahren war die Kritik des Landesrechnungshofes an der Mittelvergabe durch das Sozialministerium.