Gemeinsame Presseerklärung zur Ehrung des Andenkens an Marwa El-Sherbini

Autor_innen: Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen (NDC Sachsen)

Gemeinsame Presseerklärung zum interfraktionellen Antrag Grünen, Linke und SPD im Dresdner Stadtrat – Antrag A 0631/19 Ehrung des Andenkens an Marwa El-Sherbini – durch den Vorbereitungskreis an das Gedenken von Jorge Gomondai und Marwa El-Sherbini.

Dresden, 16.07.2020
Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt ist tödlich – auch in Dresden. Seit vielen Jahren #gedenken, #erinnern und #mahnen wir. Mit dem interfraktionellen Antrag der Fraktionen DIE LINKE., BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD wird in den kommenden Tagen im Stadtrat darüber entschieden, ob die Grünfläche vor dem Landgericht Dresden nach Marwa El-Sherbini benannt werden soll.

Wir befürworten diesen Schritt deutlich und unterstreichen die Verantwortung, die im Kampf gegen rechte, rassistische und antisemitische Gewalt nötig ist. Der Antrag ist ein wichtiges Zeichen zur Stärkung einer diskriminierungsfreien Stadtgesellschaft. Eine Stadt, die seit 2016 Teil der Städtekoalition gegen Rassismus ist, braucht öffentliche Orte des Erinnerns. Mit dem interfraktionellen Antrag ist ein solcher Ort, ist ein sichtbares Zeichen möglich.

Hintergrund:
Die ägyptische Pharmazeutin Marwa El-Sherbini zieht 2008 mit ihrem Ehemann und Sohn nach Dresden. Hier arbeitet die ehemalige ägyptische Handballnationalspielerin in einer Apotheke. Ihr Ehemann Elwy Ali Okaz ist Doktorand am Max-Planck-Institut.

Im August 2008 wird Marwa El-Sherbini von ihrem späteren Mörder Alex W. auf einem Dresdner Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft. Nach ihrer Anzeige bei der Polizei kommt es am 1. Juli 2009 zur Gerichtsverhandlung im Dresdner Landgericht, bei der die schwangere Marwa El-Sherbini als Zeugin aussagt. Ihr Ehemann und ihr dreijähriger Sohn begleiten sie an diesem Tag. Im Gerichtssaal wird sie von Alex W. erneut rassistisch beleidigt. Als sie den Saal mit ihrem Kind an der Hand verlassen will, zieht Alex W. überraschend ein Messer aus seinem Rucksack, geht auf sie zu und sticht 16 Mal auf sie ein. Elwy Ali Okaz stürzt sich auf den Mörder und ringt mit ihm um das Messer. Dabei wird auch er mit mehreren lebensgefährlichen Stichwunden verletzt. Ein Polizeibeamter aus dem Nachbarsaal betritt den Verhandlungsraum und schießt mit seiner Dienstwaffe auf Elwy Ali Okaz, den Ehemann, den er für den Täter hält. Marwa El-Sherbini stirbt vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes, Elwy Ali Okaz überlebt schwerverletzt.

Mit der Annahme des Antrages würde der Stadtrat deutlich machen, dass rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Er würde zeigen, dass jene Gewalt uns zwar nicht alle gleichermaßen trifft, dass aber Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft sich gemeinsam mit den Betroffenen gegen diese Gewalt stellen und deswegen Verantwortung übernehmen wollen. Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt haben ihre Wurzeln in unserer Gesellschaft. Für die Unversehrtheit aller Menschen und den Schutz der Menschenwürde müssen wir als Gesellschaft, auch symbolisch, einstehen. Daher brauchen wir ein klares Zeichen gegen Rassismus, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung in unserer Stadt.

Die Benennung des noch unbenannten Parks vor dem Dresdner Landgericht nach Marwa El-Sherbini leistet nicht nur einen Beitrag zum Gedenken, sondern gemahnt gleichermaßen zur Einhaltung unserer Grundrechte. Sie gibt Menschen eine Stimme und einen sichtbaren Ort, die von Anfeindungen und Angriffen betroffen sind. Sie sind es, die auf der Straße, im Arbeitsumfeld, in Ämtern, in der Bahn beleidigt, bedroht und angegriffen werden. Die Platzbenennung gibt aber auch denjenigen Mut, die sich tagtäglich gegen rechte, rassistische und antisemitische Gewalt engagieren. Unsichtbare Orte müssen sichtbar werden.

Die Dresdner Stadtgesellschaft braucht einen Erinnerungsort in Gedenken an den antimuslimischen Mord an Marwa El-Sherbini – einen Ort, der die tödliche Realität rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt deutlich macht, und gleichzeitig einen Ort der Vielen: ein sichtbares Zeichen der Unterstützung und der Solidarität.

Marwa-El-Sherbini-Platz – ein Platz für Marwa, ein Platz für Alle!


Folgende Institutionen sind neben der Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V. (NDC Sachsen) an der Vorbereitung des Gedenkens beteiligt:

Afropa e.V. | Ausländerrat Dresden e.V. | Dresden Postkolonial | Querstadtein e. V. | RAA Sachsen/Opferberatung


Kontakt:
Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V.
Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen
Nina Gbur, Geschäftsführerin
Könneritzstr. 7
01067 Dresden
E-Mail: sachsen@netzwerk-courage.de
Telefon: 0351 – 48 100-67


Die vollständige Presseerklärung kann hier heruntergeladen werden (PDF, 496 KB).

Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen (NDC Sachsen)

Das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) in Sachsen ist seit 1999 auf lebendige politische Bildung und Beratung gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit spezialisiert. Wir qualifizieren junge Engagierte und setzen uns mit unseren Partner_innen für eine offene Gesellschaft in Sachsen ein. Das Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen wird von der Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit e.V. getragen. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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