EFBI Policy Paper 2023-3: Torgau Nordwest – Probleme der Intervention in einem konfliktbelasteten Stadtteil
Autor_innen: Else Frenkel-Brunswick Institut
Im neuen EFBI Policy Paper analysieren der Humangeograph Dominik Intelmann und der Soziologe Andre Schmidt die Situation im Torgauer Stadtteil Nordwest, der als sogenannter „sozialer Brennpunkt“ gilt. Die Autoren fassen die Geschichte des Viertels zusammen und ordnet die verschiedenen Versuche der Intervention ein.
Der Stadtteil Nordwest am Rande der Stadt Torgau in Nordsachsen steht als „Problemviertel“ im Fokus der regionalen Öffentlichkeit. Der Abstieg des Plattenbauviertels seit der Wiedervereinigung geht mit Desintegrationserscheinungen und wiederkehrenden sozialen Konflikten einher. Zuletzt eskalierten diese rund um Belastungen durch nächtliche Ruhestörungen, Müllablagerungen, Drogenkonsum oder gewalttätige Auseinandersetzungen, die mit dem Zuzug von Arbeitsmigranten aus Osteuropa in Verbindung gebracht werden.
Reagiert wurde mit einer kontinuierlichen Verdichtung von Interventionen und der Verstärkung des Netzwerkes von Fachkräften einer professionalisierten Zivilgesellschaft, die durch Sozialarbeit, Beratung, Kulturangebote, Vernetzung und Dialog soziale Härten abmildern und den Zusammenhalt im Sozialraum stärken sollen.
Das vorliegende Policy Paper rekonstruiert die Konfliktgeschichte des Stadtteils Torgau Nordwest und untersucht die Interventionsstrategien unter Berücksichtigung der Perspektive beteiligter Akteure. Dabei wird deutlich, dass die Gegenstrategien widersprüchliche Stoßrichtungen verfolgen: von Ordnungspolitik, welche die Gruppe der Migranten fokussiert, und aktivierender Gemeinwesenarbeit, welche insbesondere unter den deutschen Anwohnern keine Adressaten findet. Zudem fehlt der Zugriff auf die Ursachen der sozialräumlichen Probleme, welche in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen vieler Anwohner Nordwests, insbesondere der Arbeitsmigranten, liegen. Obwohl diese Zusammenhänge bekannt sind, entstanden daraus bislang keine wirksamen Interventionen.
Vielmehr fällt die Problembearbeitung auf die Kulturalisierung der sozialen Probleme und Rufe nach Ordnungs- und Symbolpolitik zurück. Auf Basis der Analyse werden Handlungsempfehlungen entwickelt, welche auf die Stärkung lokaler demokratischer Teilhabe zielen. Sie tragen der Tatsache Rechnung, dass die sozialen Probleme, welche sich in Torgau Nordwest verdichten, Resultat der ungleichen Entwicklung und Arbeitsteilung im internationalen Maßstab sind. Damit steht Torgau Nordwest auch exemplarisch für „soziale Brennpunkte“ andernorts.