Der Kinder- und Jugendring Sachsen e.V. positioniert sich zu der Auflösung des Jugendrings Oberlausitz e.V.  und darüber hinaus

Autor_innen: Kinder- und Jugendring Sachsen e.V.

Dresden, 23.01.2025. Der Jugendring Oberlausitz e.V. stellt nach 33 Jahren engagierter Arbeit seine Tätigkeit ein. Der Kinder- und Jugendring Sachsen e.V. (KJRS) fordert sichere finanzielle Rahmenbedingungen, um sachsenweit die Jugendarbeit und ihre Strukturen nachhaltig zu stärken.

„Die Schließung verdeutlicht die prekäre Situation, in der sich viele freie Träger der Jugend- und Jugendverbandsarbeit derzeit befinden“, sagt Wencke Trumpold, Geschäftsführerin des KJRS. „Die Jugendarbeit ist essenziell für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen und die Förderung ehrenamtlichen Engagements. Ohne sichere finanzielle Grundlagen drohen weitere Verluste zentraler Strukturen“.

Die Auflösung des Jugendrings Oberlausitz stellt insbesondere für den Landkreis Görlitz einen erheblichen Rückschlag dar. In einer Region fehlen nun wichtige Ansprechpersonen und Strukturen für junge Menschen und Engagierte. Der KJRS fordert in seinem Positionspapier unter anderem eine zeitnahe Übergangslösung, um die Aufgaben des Jugendrings vorläufig zu sichern.

Der KJRS ist ein freiwilliger Zusammenschluss sächsischer Jugendverbände sowie der Stadt- und Kreisjugendringe. Als Dachverband und Träger verschiedener Projekte setzt sich der KJRS aktiv für die Interessen und Mitbestimmung junger Menschen ein.

Für weitere Informationen und Interviewanfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Pressekontakt:
Jennifer Vaupel, Referentin Jugendpolitik
0351 – 316 79 17
j.vaupel@kjrs.de


Positionierung: „Wenn Jugendarbeit an die Grenzen des Leistbaren gelangt“1 des KJR Sachsen e.V.

Zur Insolvenz des Jugendrings Oberlausitz e.V.

Der Kinder- und Jugendring Sachsen e.V. (KJRS) nimmt mit Bestürzung zur Kenntnis, dass der Jugendring Oberlausitz e.V. nach 33 Jahren engagierter Arbeit seine Tätigkeit einstellen muss. Seit Ende letzten Jahres befindet sich der Verein im Insolvenzverfahren, das nun in die vollständige Auflösung des
Vereins führt. Dieser Schritt bedeutet nicht nur das Ende eine der tragenden Institution für den Landkreis, sondern stellt auch einen erheblichen Verlust für die Jugend- und Jugendverbandsarbeit vor Ort und in Sachsen dar.

Die Gründe für die Auflösung sind vielfältig, lassen sich aber vor allem dem prekären Arbeitsfeld zuordnen. Das betrifft auch hunderte Freie Träger, die sich von Plauen bis Görlitz, von Eilenburg bis Annaberg jederzeit ihrem gesetzlichen Auftrag stellen und jungen Menschen kompetente Begleitung
beim Aufwachsen sind:

  • Die finanzielle Förderung für Projekte und Basisarbeit verschlechterte sich zunehmend und untergräbt damit die Grundlagen einer kontinuierlichen Vereinsarbeit.
  • Politische Unsicherheiten und Kürzungen in den Haushalten auf kommunaler und Landesebene fordern die Arbeit Freier Träger massiv heraus.
  • Mitarbeitende werden über Jahre hinweg jeweils zum Jahresende gekündigt, weil für das Folgejahr Förderaussagen fehlen.
  • Ehrenamtliche Vorstände gehen durch fehlende Bescheide hohe persönliche Risiken ein.
  • Diese wiederkehrende Unsicherheit sind enorme psychische Belastungen für Arbeitnehmer*innen und die Verantwortlichen der jeweiligen Vereine.
  • Fehlende oder unsichere Förderzusagen des Landkreises Görlitz und des Freistaates Sachsen für das Jahr 2025 potenzieren die beschriebenen Herausforderungen und machen eine solide finanzielle Planung unmöglich.

Die Auflösung des Jugendrings Oberlausitz und die aktuellen Zustände im Bereich der Jugendarbeit in ganz Sachsen gefährden zentrale Strukturen und Ansprechpartner*innen in den seit 2010 bereits ausgedünnten Regionen. Dies schwächt die Möglichkeiten, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu
unterstützen und ehrenamtliches Engagement zu fördern. Insbesondere kommunale Jugendringe sind unverzichtbare Kristallisationspunkte der Jugendverbandsarbeit. Sie fördern Entwicklungen in den ehren- und hauptamtlichen Strukturen der Jugendarbeit vor Ort und sind wichtige Schnittstellen für Bundes-, Landes- und EU-Projekte. Ohne eine gute Ressourcenausstattung dieser Strukturen drohen langfristig negative Folgen für die Jugendarbeit in Sachsen und damit für die jungen Menschen, die zukünftig gesellschaftliche Verantwortungsträger sein werden.

Für den Landkreis Görlitz muss nun eine geeignete Lösung gefunden werden, welche die Umsetzung der Aufgaben des Jugendrings (vorläufig) sicherstellt. Dies braucht es zeitnah, damit die (ehrenamtlichen) Vereine und ehemaligen Mitglieder weiterhin einen starken Ansprechpartner und
Interessenvertreter für ihre Region haben.

Unsere Forderungen

Um die Entwicklungen in Görlitz für andere Landkreise und landesweite Strukturen jetzt und in Zukunft zu verhindern, fordern wir:

  • Sichere Haushalte – jetzt: Die finanzielle Planungssicherheit für Jugendringe und andere Freie Träger muss prioritär gesichert werden.
  • Kommunale Jugendringe stärken: Die Arbeit der Jugendringe muss als unverzichtbare Grundlage anerkannt und finanziell abgesichert werden.
  • Öffentliche Träger in Verantwortung nehmen: Kommunen und Länder müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und stabile Strukturen auf der Grundlage einer „partnerschaftlichen Zusammenarbeit“ (§4 Abs. 1 SGB VIII) schaffen
  • Entbürokratisierung und Ehrenamtsentlastung: Die Hürden für ehrenamtliches Engagement müssen dringend reduziert und gleichzeitig die Anerkennung des Ehrenamts für unsere Gesellschaft deutlich gesteigert werden.

Die Entwicklungen in Görlitz sind beispielhaft für die erschwerten Bedingungen, unter denen Jugendringe und andere Akteure der Jugendarbeit auf kommunaler Ebene tagtäglich arbeiten. Wir appellieren an Politik und Gesellschaft, die Bedeutung der Jugendarbeit für das gelingende Aufwachsen
junger Menschen anzuerkennen und die notwendigen Schritte einzuleiten, um solche Verluste in Zukunft zu verhindern.

Pressemitteilung des Jugendring Oberlausitz e.V. (20.01.2025)

Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

Der Jugendring Oberlausitz e.V. hat am 20.12.2024 beim Amtsgericht Dresden einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Der Antrag befindet sich derzeit in Prüfung. Der Vorstand beabsichtigte, ein geordnetes Verfahren zur Konsolidierung des Vereins durchzuführen und seinen Pflichten bei fehlender Liquidität gerecht zu werden sowie Arbeitsverhältnisse fortzuführen. Der zuständige Insolvenzgutachter hat nach Sichtung der Unterlagen Mitte Januar und einem ersten Vorortgespräch mit dem Vorstand sowie dem Geschäftsführer jedoch festgestellt, dass es keine realistische Möglichkeit gibt, den Verein in seiner bisherigen Form zu erhalten. Damit wird in Kürze das Insolvenzverfahren eröffnet werden und die Auflösung des Vereins erfolgen.

Die Zahlungsunfähigkeit des Jugendring Oberlausitz e.V. ist auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückzuführen: In den letzten fünf Jahren hat der Verein kontinuierlich finanzielle Verluste verzeichnet, die die Rücklagen und die Liquidität erheblich beeinträchtigt haben. Zudem konnte die notwendige Erwirtschaftung von Eigenmitteln für die Umsetzung einzelner Projekte nicht in vollem Umfang realisiert werden, was zu Finanzierungslücken und Problemen in der Projektabwicklung führte. Gleichzeitig verschlechterte sich die finanzielle Ausstattung der Projekte kontinuierlich, was auch die Umlagen zur Finanzierung der Geschäftsstelle beeinträchtigte und somit die Basis für eine nachhaltige Vereinsarbeit weiter schwächte. Vergebliche Bemühungen um eine finanzielle Entlastung, unter anderem durch Gespräche mit der Sparkasse, konnten ebenfalls keine Lösung bieten, da die Forderung nach einer persönlichen Bürgschaft der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder oder des Geschäftsführers nicht erfüllt werden konnte. Hinzu kommt die derzeitige Unsicherheit über verbindliche Förderzusagen seitens des Landkreises Görlitz und des Freistaates Sachsen für das Jahr 2025 und folgende Jahre, die die finanzielle Planungssicherheit erheblich beeinträchtigt hat. Fehlende Haushalte auf Landesebene und anstehende Kürzungen in der Jugendarbeit auf Landkreisebene haben die Situation soweit verschärft, dass eine Grundlage zur Vorfinanzierung der Arbeit ab 1. Januar komplett fehlte, da die Höhe nicht abschätzbar war, aber die Verbindlichkeiten des laufenden Betriebs bedient werden müssen.

Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sieht der Jugendring Oberlausitz e.V. keine andere Möglichkeit, als die Vereinsaktivitäten einzustellen. Der Jugendring Oberlausitz e.V. wird in den kommenden Wochen eng mit dem Insolvenzverwalter zusammenarbeiten, um den Prozess transparent und ordnungsgemäß zu gestalten. Weitere Informationen werden zu gegebener Zeit bekanntgegeben.

„Mit großem Bedauern mussten wir diesen Schritt gehen. Es fiel uns wirklich schwer, doch die finanzielle Last und die Unsicherheiten der Finanzierung unserer Arbeit haben uns zu diesem Entschluss gezwungen. Der Verein und seine Mitarbeitenden haben in den letzten 30 Jahren Unermessliches für die Jugendarbeit sowie Verbandsarbeit im Landkreis Görlitz geleistet. Wir sind die letzten Jahre stets an die Grenzen des Leistbaren gelangt, mussten jedes Jahr allen Mitarbeitenden zum Ende des Jahres kündigen, da immer schon unsicher war, wie und wann Förderungen erfolgen werden. Immer wieder sind wir ins Risiko gegangen, haben unsere Arbeit für die Jugendlichen und Familien sowie unsere Mitglieder aufrechterhalten und nach Lösungen gesucht. Doch dieses Risiko einer persönlichen Bürgschaft, stetige Kürzungen der Gelder und vor allem die Belastung für unsere Mitarbeitenden wurde Ende 2024 nicht mehr tragbar. Die politischen Entwicklungen im Landkreis sowie in Sachsen (fehlende und gekürzte Haushalte) haben, wenn auch nicht allein, dazu beigetragen, dass wir nun Insolvenz anmelden mussten. Als Dachverband der Freien Träger der Jugendhilfe im Landkreis Görlitz sowie mit unseren Angeboten in der Präventiven Jugendhilfe, dem Flexiblen Jugendmanagement und dem Betrieb des Jugendzentrums in Niesky haben wir seit 01.01.2025 die Arbeit eingestellt. Wir werden uns mit den Mitgliedsvereinen zusammenfinden, um auch Ihnen die Situation und das weitere Vorgehen darzulegen. Mit den Mitarbeitenden im Bereich ambulante Hilfen zur Erziehung sind wir im Gespräch und hoffen, die Stellen bei einem anderen Träger anzusiedeln und damit fortführen zu können. Wir danken allen Mitarbeitenden für die kontinuierlich geleistete und fachlich ausgezeichnete Arbeit und das langjährige Vertrauen und wünschen ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute.“ – Jana Lübeck, Vorsitzende des Jugendring Oberlausitz e.V.

Kontakt: Jana Lübeck (Vorsitzende)
Telefon: 0174 3640534
E-Mail: jana.luebeck@gmx.de

Konsequenzen der Insolvenz und Auflösung des Jugendring Oberlausitz als Dachverband

Die Insolvenz und mögliche Auflösung des Jugendring Oberlausitz e.V. als Dachverband der Jugendvereine im Landkreis Görlitz hat verschiedene weitreichende Konsequenzen, u.a.:

Verminderte Interessenvertretung

  • Der Jugendring vertritt die Interessen der Jugendvereine auf kommunaler und überregionaler Ebene. Dieser Einfluss wird schwinden, weshalb wichtige Anliegen der Jugendvereine weniger Gehör bei politischen Entscheidungsträgern finden werden.

Erschwerte Zusammenarbeit der Mitgliedsvereine

  • Der Jugendring Oberlausitz e.V. bietet als Dachverband eine Plattform für den Austausch und die Kooperation zwischen den Mitgliedsvereinen. Ohne diese Struktur gehen Netzwerke und Synergien verloren – z.B. die Netzwerke der Jugendarbeit in den Planungsräumen 1 und 2 oder für ehrenamtliche Vereine.
  • Gemeinsame Projekte und Veranstaltungen, die durch den Jugendring organisiert oder koordiniert werden fallen weg.

Rechtsunsicherheit für Mitgliedsvereine

  • Der Dachverband übernimmt u.a. rechtliche Beratungen für seine Mitglieder. Deren Wegfall kann zu Unsicherheiten in rechtlichen und organisatorischen Fragen führen.
  • Die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe entfällt für alle Mitgliedsvereine, die diese über den Jugendring Oberlausitz e.V. als Dachverband beantragt haben. Dies stellt die Mitgliedsvereine vor zusätzliche administrative Herausforderungen, da sie einzeln oder über einen anderen Dachverband entsprechende Anträge stellen müssen.

Wegfall gemeinsamer Ressourcen

  • Gemeinsame Ressourcen wie Fortbildungsangebote (z.B. Juleica-Schulungen), Workshops, Beratungsdienste, Informations- und Materialpools, die über den Dachverband organisiert werden, fallen weg.
  • Vergünstigungen wie z.B. bei der GEMA werden für die Mitglieder nicht mehr verfügbar sein.

Beeinträchtigung der Juleica-Ausstellung

  • Die Jugendleiter*innen-Card (Juleica) wurde bisher über den Dachverband als Zentralstelle koordiniert. Diese Aufgabe muss nun das Jugendamt übernehmen.

Hintergrund und Zusammenfassung:

Beschreibung der Gründe für die Zahlungsunfähigkeit des Jugendring Oberlausitz e.V.

Die Zahlungsunfähigkeit des Jugendring Oberlausitz e.V. ist auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückzuführen:

  • Abnehmende finanzielle Ausstattung: Die finanzielle Ausstattung der Projekte hat sich kontinuierlich verschlechtert. Dies betraf auch die Umlagen zur Finanzierung der Geschäftsstelle, wodurch die notwendige Basis für eine nachhaltige Vereinsarbeit weiter geschwächt wurde.
  • Fehlende Förderzusagen für 2025: Die derzeitige Unsicherheit über verbindliche Förderzusagen seitens des Landkreises Görlitz und des Freistaates Sachsen für das Jahr 2025 hat die finanzielle Planungssicherheit des Vereins erheblich beeinträchtigt.
  • Finanzielle Verluste: Über die letzten fünf Jahre verzeichnete der Verein kontinuierliche finanzielle Verluste, die seine Rücklagen und Liquidität erheblich beeinträchtigt haben.
  • Unzureichende Eigenmittel für Projekte: Die geplante Erwirtschaftung der Eigenmittel, die für die Umsetzung einzelner Projekte erforderlich gewesen wären, konnte nicht realisiert werden. Dies führte zu Finanzierungslücken, die sich negativ auf die Projektabwicklung und die finanzielle Gesamtsituation des Vereins auswirkten.
  • Vergebliche Bemühungen um finanzielle Entlastung: Gemeinsam mit der Sparkasse wurde versucht, einen langfristigen Plan zur Reduzierung des negativen Kontostandes und zur Erhöhung des Kontokredits zu entwickeln. Allerdings war eine Umsetzung aufgrund der Forderung der Sparkasse nach einer persönlichen Bürgschaft der ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder oder des Geschäftsführers nicht möglich.

Diese Herausforderungen haben letztlich dazu geführt, dass der Verein nicht mehr in der Lage war, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.


  1. Quelle: Vorstandvorsitzende Jana Lübeck in der Pressemitteilung des Jugendrings Oberlausitz e.V. (20.01.2025) ↩︎

Weitere Informationen

Redaktion TolSax

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