Demokratiecafé: Ein Praxisguide

Autor_innen: Bayerischer Forschungsverbund „Die Zukunft der Demokratie“

Zum Ende unseres transdiziplinären Forschungsprojektes RePair Democracy haben wir einen Leitfaden entwickelt, wie ein Demokratiecafé eröffnet werden kann, was und wen es dazu braucht, wie man es durchführt und was im Anschluss geschieht (zum Download). Was ein Demokratiecafé ist und was dort bisher geschah, haben wir hier und da oder dort berichtet. Ausgangspunkt eines solchen Ortes der lokalen Versammlung, Teilhabe und Kollaboration, waren die zu Beginn des Forschungsprojektes untersuchten Repair Cafés. In der Regel einmal im Monat bringen Leute ihre defekten Geräte an diesen Ort, um sie gemeinsam mit fachkundigen Reparateuren wieder instand zu setzen. Neben der Müll- und Konsumvermeidung wird mit dieser Praxis ein sorgender Umgang mit den Dingen und der Umwelt eingeübt und eine lokale, inklusive Gemeinschaft gestiftet. Ein Demokratiecafé funktioniert ganz ähnlich: Einmal im Monat bringen Menschen aus der Nachbarschaft – anstelle eines defekten Gegenstandes – ihre Anliegen bezüglich des Zusammenlebens im

Viertel bzw. Quartier mit. Für einen besseren Eindruck zum Ursprung der Idee eines Demokratiecafés soll der Leitfaden zunächst selbst zu Wort kommen – auch, um einen Eindruck von seiner Verfasstheit und dem Stil zu bekommen. Neben dem typischen Duktus eines Leitfadens führt eine fiktionale Geschichte durch den gesamten Praxisguide, um zu veranschaulichen, wie es denn konkret aussehen könnte, wenn man ein Demokratiecafé auf den Weg bringt. Die sprechende Kanne begleitet Euch dabei mit pointierten Weisheiten rund um das Demokratiecafé.

Die Geschichte von Hans und Katja oder wie es begann

Einmal im Monat gehen Hans und Katja ins Repair Café in ihrer Nachbarschaft, um geliebte Alltagsgegenstände zu reparieren. Manchmal bringen sie auch gar nichts mit und haben einen schönen Nachmittag in der Reparaturgemeinschaft und nette Gespräche über Gott und die Welt. Dort treffen sie regelmäßig auf Yıldız, die schon zweimal die alte Mokkakanne von Katjas Oma zusammen mit Hans repariert hat. Hauptberuflich arbeitet Yıldız beim Stadtanzeiger und berichtet im Ressort „Soziale Innovationen und Reale Utopien“ über Initiativen gesellschaftlichen Wandels. Eines Nachmittags, als die Drei bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen, überlegen sie, ob es auch einen Ort geben könnte, an dem in Eigeninitiative nicht nur defekte Alltags-Gegenstände, sondern der Alltag im Viertel wieder instandgesetzt oder besser werden kann. Im Repair Café wollen sie etwa Müll vermeiden oder der ungeliebten Konsumgesellschaft etwas entgegensetzen. „Ein Reparaturcafé ist eine feine Sache, um den materiellen Dingen mit Wertschätzung zu begegnen und ihnen Langlebigkeit zu verschaffen. Aber was ist mit unseren Anliegen für ein gutes Zusammenleben im Quartier?“, fragte Hans in die Runde. Ermutigt vom Reparieren und Selbermachen überlegen sie eines Nachmittags, ob es nicht einen neuen Ort in der Nachbarschaft bräuchte, an dem man die Dinge selbst in die Hand nehmen und im Viertel etwas bewegen kann.

Yıldız erinnert sich an die Bedeutung des Wortes Reparieren, das neben Wiederherstellung auch Wiedererwerben und Erneuerung bedeutet. Beim Reparieren geht es um die Aneignung eines Gegenstands durch Zerlegen, Analyse und Wiederzusammensetzen. „Demokratie reparieren, geht das?“, fragt Katja. „In einer Demokratie geht es doch auch um die gemeinsame Anverwandlung des geteilten Lebensraums. Vielleicht können wir hier auch zerlegen, analysieren, erneuern“, antwortet Yıldız. „Und die Leute aus dem Viertel bei Kaffee und Kuchen zusammenbringen, so wie hier“, führt Hans den Satz von Yıldız fort. „Lasst es uns doch einfach mal versuchen, lasst uns ein Demokratiecafé eröffnen!“, platzt es aus Katja begeistert heraus.

Die Drei wussten noch nicht genau, wie sie es anstellen sollten, doch die Idee und der Wille waren in der Welt.

Wie es weitergeht

Wie Hans und Katja zusammen mit Yıldız ihr erstes Demokratiecafé vorbereiten, ein Team zur Unterstützung, einen passenden Ort und eine professionelle Moderatorin finden, könnt Ihr in unserem Leitfaden nachlesen. Schritt für Schritt wird darin dargestellt, was bei der Vorbereitung zu beachten ist, wie ein Demokratiecafé durchgeführt wird und wie es danach weiter geht.

Am Ende des ersten Demokratiecafés

Yıldız, Katja und Hans räumen noch auf und sitzen danach noch eine Weile zusammen. Milosz ist auch sitzengeblieben. Er war ganz begeistert von dem Nachmittag. Auf seinen Evaluationsbogen hat er geschrieben: “Demokratie beginnt im Kleinen, deshalb ist es schön ein Demokratiecafé im Viertel zu haben. Das sollte es überall geben.” Er geht rüber zu den anderen und setzt sich zu ihnen. Gemeinsam schauen sie sich die Evaluationsbögen an. Es sind immerhin 17 Stück zusammengekommen. Die Rückmeldungen sind weitestgehend sehr positiv ausgefallen. Zwei Leute fanden es zu chaotisch, was wiederum jemand anderem besonders gefiel: „Chaos bringt Kopf in Bewegung. Hat gut gewirkt – Gespräche ermöglicht“.  Fast durchweg wurde die gute Atmosphäre gelobt, was eine sowohl entspannte als auch intensive Zusammenarbeit ermöglichte. Eine Person schrieb: „Ich war voll im Flow, habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit verfliegt. Dass es so schnell schon vorbei ist, hätte ich nie gedacht.“ Auch die Moderation von Anastasia fand großen Anklang. Sie führte souverän und emphatisch mit viel Fingerspitzengefühl durch das heutige Demokratiecafé. Yıldız will auf jeden Fall im Stadtanzeiger in ihrem Ressort „Soziale Innovationen und Reale Utopien“ über das Projekt zur Offenen Werkstatt berichten und hat schon einen Termin für ein Interview mit Irit vereinbart. Glücklich und erschöpft machen sich die Vier auf den Heimweg. In der nächsten Woche wollen sie nochmal zusammenkommen, um den Nachmittag auszuwerten und zu überlegen, was sie mit den Ergebnissen machen, um die nächsten Schritte zu gehen und zu überlegen, wie sie die Weiterarbeit an den Ideen unterstützen können. Den Teilnehmer*innen, die sich in die E-Mail-Liste eingetragen haben, wollen sie davon berichten und einen regelmäßigen Newsletter schreiben.

Jetzt seid Ihr dran, die Geschichte Eures eigenen Demokratiecafés zu schreiben.

Hier könnt Ihr den Praxisguide herunterladen.

Hier findet Ihr Arbeitsmaterialien.

Hier findet Ihr eine Sprühvorlage zum taggen.

Empfohlene Zitierweise

Robert Jende: Demokratiecafé: Ein Praxisguide. In: Bayerischer Forschungsverbund „Die Zukunft der Demokratie“ (Hrsg.): ForDemocracy 2022. https://fordemocracy.hypotheses.org/3752 (Datum des Zugriffs)

Weitere Informationen hier

Redaktion TolSax

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