Coronakrise: Wohnungen und Unterkünfte sind nicht für alle ein sicherer Ort
LSVD warnt vor Anstieg von Gewalt durch Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote
Pressemitteilung des LSDV vom 02.04.2020
Berlin, 02. April 2020. Angesichts der Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund des Coronavirus erklärt Axel Hochrein, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Die Corona-Krise ist mit massiven Einschränkungen und Einschnitten für uns alle verbunden. Gleichwohl trifft sie Menschen je nach Lebenslage unterschiedlich. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sieht mit Sorge die Folgen und Gefahren der Auflagen zum Kontaktverbot für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Jugendliche und Geflüchtete. Deshalb müssen das Hilfe- und Beratungssystem auch und besonders in Krisenzeiten für diese Gruppen verfügbar, sensibilisiert und ansprechbar sein.
Junge LSBTI können die notwendigen Ausgangsbeschränkungen sehr belasten, vor allem wenn sie ungeoutet sind oder sie nicht von ihrer Familie akzeptiert werden. Aufgrund von Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona werden sie wesentlich mehr Zeit zu Hause und zusammen verbringen müssen. Die große Mehrzahl hat bereits unabhängig von Krisenzeiten familiäre Diskriminierung erfahren. LSBTI-Jugendliche gehören daher zu denen, für die der LSVD einen Anstieg von häuslicher Gewalt befürchtet. Bundesfamilienministerin Giffey muss daher auch diese Gruppe in den angekündigten Maßnahmen berücksichtigen.
Bereits vor der Corona-Krise gab es auch zahlreiche Berichte, dass geflüchtete LSBTI in Aufnahmeeinrichtungen von anderen Flüchtlingen, dem Wachpersonal oder Mitarbeitenden eingeschüchtert, drangsaliert und bedroht wurden. Die Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen haben zusätzliche negative Auswirkungen auf die Atmosphäre in den Flüchtlingsunterkünften. Besonders für vulnerable Gruppen steigt auch hier die Gefahr, Opfer von Anfeindungen und Gewalt zu werden. Behörden und Träger sind aufgefordert alle Anstrengungen zu unternehmen, damit Geflüchtete keine Gewalt erfahren, weder außer- noch innerhalb der Unterkünfte. In den Unterkünften müssen Gewaltschutzkonzepte Gruppen mit erhöhtem Diskriminierungsrisiko wie LSBTI besser berücksichtigen und umgesetzt werden.
Auf seiner Homepage hat der LSVD ausgeführt, wie sich COVID-19 besonders für Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen auswirkt. Die Hinweise und Links zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten werden laufend aktualisiert.
Hintergrund
In der Studie „Coming-out – und dann…?!“ des Deutschen Jugendinstituts berichtet jeder sechste Jugendliche von Beschimpfungen in der Familie, jeder zwölfte Jugendliche von angedrohten Strafen. 3% wurden von ihren Eltern oder Geschwistern körperlich angegriffen oder verprügelt. Ein DJI-Forschungsprojekt zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Jugendlichen und jungen Erwachsenen (2015)
Handreichung für die Betreuung und Unterstützung von LSBTTI*-Flüchtlingen. Gemeinsame Publikation von LSVD, Arbeiter-Samariter-Bund und dem Paritätischen
„Ich habe mich noch nie einsamer gefühlt“ – Queere Geflüchtete und die Coronakrise (Der Tagesspiegel vom 31.03.2020)