AGJF Materialsammlung: Es gibt kein Neutralitätsgebot
Wie politisch neutral soll die Jugendarbeit sein? Gibt es überhaupt ein Neutralitätsgebot, gerade bei der Positionierung gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit? Wir von der AGJF Sachsen wollen die Debatte mit Materialien untersetzen und haben dazu eine Übersicht eingerichtet. Gleichzeitig bieten wir Beratungen zum Themenfeld an. Kontakt: mut@agjf-sachsen.de
Materialsammlung
Seit einigen Jahren gibt es in unterschiedlichen Feldern der Jugend- und Bildungsarbeit eine verstärkte Auseinandersetzung darüber, wie eine politische Bildung/ Demokratiebildung zu verstehen sei und inwiefern sich Institutionen der politischen Bildung, so auch Träger der Jugendhilfe, politisch-demokratisch gegen Diskriminierung und Anfeindungen positionieren können.
Dabei wird bei einer entsprechenden Kritik an Trägern, Angeboten oder Positionen häufig der Begriff eines sogenannten „Neutralitätsgebots“ ins Feld geführt. Dieser wird fälschlicherweise als Teil des „Beutelsbacher Konsenses“ zur politischen Bildung verstanden wird.
Dem gemäß gibt es aber kein „Neutralitätsgebot“ politischer Bildung. Es wurde sich hier auf die drei folgenden, handlungsleitenden Prinzipien bzw. Qualitäten einer demokratischen politischen Bildung verständigt.
1. Überwältigungsverbot
„Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern“
2. Kontroversitätsgebot
„wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten“
3. Gebot der Adressat*innenorientierung
„Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen“ (Zitate jeweils von BpB)
Das SGB VIII beauftragt Fachkräfte, sich als Professionelle zu den politischen Verhältnissen zu positionieren und hierzu entsprechend mit den Adressat*innen zu arbeiten. Dass dabei auch gesellschaftliche Machtverhältnisse und Formen (struktureller) Diskriminierung in den Blick zu nehmen sind, versteht sich von selbst.
SGB VIII – § 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. (…)
(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere
- junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
- Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
- Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
- dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.
Anliegen hier ist es, Debatten, die in den Arbeitsfeldern geführt werden, mit Materialien zu untersetzen. Es wird dabei auf passende Materialien und Positionierungen anderer Institutionen verwiesen.
Gleichzeitig bieten wir auch an, gemeinsame Beratungen durchzuführen.
Kontakt: mut@agjf-sachsen.de
Bundeszentrale für politische Bildung: Beutelsbacher Konsens
„Beutelsbacher Konsens“ als wichtige Referenz für die anerkannten fachlichen Prinzipien politischer Bildung in der Bundesrepublik
Deutsches Institut für Menschenrechte: Das Neutralitätsgebot in der Bildung. Neutral gegenüber rassistischen und rechtsextremen Positionen von Parteien?
Broschüre zu menschenrechtlichen Anforderungen an Bildungsarbeit mit Fokus auch auf rechtliche Anforderungen bzgl. der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb und damit einhergehender parteipolitischer Neutralitätsgebote.
Deutscher Bundesjugendring: Werkstätten der Demokratie – politische Bildung von Jugendverbänden und Jugendringen stärken und schützen
Positionspapier zur Bedeutung der nicht-neutralen Auseinandersetzung mit Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und anderen demokratieablehnenden Haltungen.
Bayrischer Jugendring: Jugend und Demokatie-Bildung. Zum Umgang mit Parteien in der politischen Bildungsarbeit in der Jugendarbeit
Broschüre zu Jugendarbeit als Ort der Demokratiebildung, Verständnis von Neutralität, Rahmensetzung der Gemeinnützigkeit mit Beispielen für problematische und unbedenkliche Maßnahmen.
Weimaer Erklärung für demokratische Bildungsarbeit
Erklärung über die Grundlagen und Aufgaben historischer, politischer und kultureller Bildung gegenüber einem behaupteten „Neutralitätsgebot“
Gilde Soziale Arbeit e.V.: Bielefelder Erklärung 2019. Sozialarbeitende gegen Autoritarismus und Menschenverachtung
Erklärung zur Positionierung Sozialer Arbeit gegenüber völkisch-nationalistischen Angriffen auf Demokratie und Gemeinwesen
Friedhelm Hufen: Politische Jugendbildung und Neutralitätsgebot
Artikel zu rechtlichen Rahmenbedingungen politischer Bildungsarbeit bei freien Trägern
Quelle: RdJB Recht der Jugend und des Bildungswesens, Jg. 66, Heft 2/2018, Seite 216 – 221
IDA Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.: Das Extremismusmodell. Über Seine Wirkungen und Alternativen in der politischen (Jugend-)Bildung und der Jugendarbeit
Broschüre zu Grundlagen des Modells, Kritik am Modell, Alternativen Beschreibungen und Perspektiven für die Praxis
Amadeu Antonio Stiftung: Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlung zum Umgang mit der AfD
Broschüre zur demokratischen (Bildungs-)Arbeit auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen und zum Umgang mit Anfeindungen und Infragestellungen demokratischer Grundprinzipien.
Deutsche Vereinigung für politische Bildung e.V.: Gemeimsame Stellungnahme zur AfD-Meldeplattform „Neutrale Schulen“
Stellungnahme zur Fehlinterpretation des Grundkonsenses zur politischen Bildung
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft: Fragen und Antworten zu den Meldeportalen der AfD
Artikel zu gesetzlichen Grundlagen für politische Bildung in der Schule, den Sinn und Zweck des Beutelsbacher Konsens sowie Handlungsorientierungen für Lehrer*innen und Netzwerkpartner*innen mit einer Übersicht zu wichtigen Fragen und Antworten