Abschiebungshaft – Rückblick auf die Podiumsdiskussion.
Bericht des Sächsischen Flüchtlingsrates vom 13.04.2018
Am 12.April 2018 diskutierten Frank Gockel, Berater von Menschen in Abschiebehaft in Büren, NRW, Geert Mackenroth, Sächsischer Ausländerbeauftragter, MdL, CDU und Petra Zais, MdL, Bündnis 90/ Die Grünen zum Thema „Abschiebungshaft in Dresden – Was erwartet Geflüchtete und Zivilgesellschaft?“ im riesa efau in Dresden. Moderiert wurde der Abend von Marianne Thum von der AG Asylsuchende – Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge. Hintergrund der Diskussion ist das sich momentan im Landtag befindliche Abschiebungshaftvollzugsgesetz.Hier ein kurzer Rückblick:
Amtsgerichte
werden darüber entscheiden, ob jemand inhaftiert werden wird.
Problematisch ist dies insofern, als dass Amtsrichter*innen kaum
Erfahrung mit dem Asyl- und Aufenthaltsrecht als Verwaltungsrecht haben.
Dass zeigt sich allein an der Statistik, die Rechtsanwalt Peter
Fahlbusch führt. Bei über 50 Prozent seiner Mandant*innen war die Haft
rechtswidrig, gab er gegenüber der taz
im Dezember 2017 an. Auch Frank Gockel ist in seiner Arbeit immer
wieder mit dieser Problematik konfrontiert. Es sei beispielsweise
selbstverständlich, dass vor einem Haftbeschluss erst eine Anhörung
des*der Betroffenen durch den*die Richer*in zu erfolgen habe. Nur
passiere das häufig nicht. Erschwerend kommt aus seiner Sicht hinzu,
dass nur wenige Rechtsanwält*innen Mandant*innen in Abschiebungshaft
annehmen und vertreten können. Für Petra Zais ist klar: bereits letztes
Jahr beim Gesetzgebungsverfahren zum Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz
wurde diese Kritik geäußert, sie wurde von der Koalition offenbar nicht
gehört. Gerade wegen diesen Punktes hätte das Innenministerium, bevor es
überhaupt einen Gesetzesentwurf in den Landtag eingereicht hätte, das
Gespräch mit NGOs, Religionsvertreter*innen und Richter*innen suchen
müssen. Auch Geert Mackenroth sieht Schulungsbedarf bei den
Amtsrichter*innen, die künftig über die Haftanträge der
Ausländerbehörden entscheiden müssen. Er weist darauf hin, dass das
„Familienverfahrensgesetz – FamFG“ (das Gesetz mit diesem Namen regelt
die Anordnung von Abschiebungshaft. Klingt komisch, ist aber so.) klare
Regeln vorgebe, wie Haftbeschlüsse auszusehen haben. Darauf müsse laut
ihm vertraut werden.
Umso wichtiger ist die Frage der rechtlichen Beratung und des Beistands. Die
Betroffenen werden Informationen darüber erhalten, wo sie solchen
erhalten können. Die „Gretchenfrage“ aber, die des Anspruchs auf
Rechtsberatung, sei im Gesetzesentwurf ausgeklammert worden, so Geert
Mackenroth. Seiner Ansicht nach müssten NGO-Mitarbeiter*innen mit
Rechtsanwält*innen hinsichtlich der Besuchszeiten und -rechte
gleichgestellt werden. Das Gesetz sei an einigen Stellen recht lieblos
gestrickt worden. Petra Zais dagegen kann sich nur schwer vorstellen,
dass ein solches Gesetz überhaupt mit Liebe verfasst werden kann und
berichtet von einem großen Misstrauen in der sächsischen Öffentlichkeit
wie Verwaltung gegenüber Nichtregierungsorganisationen. NGOs in
Abschiebungshaft seien notwendig. Was bringe es, wenn sich die
Inhaftierten bei der Anstaltsleitung beschwerten, die im Zweifel ja
gerade Adressatin der Kritik sei. Diese NGO-phobie sei aufzubrechen, so
Geert Mackenroth. Frank Gockel empfiehlt dem sächsischen Gesetzgeber ein
externes Beschwerdemanagement einzurichten. Selbst der geplante Beirat
könne dies nicht leisten. Außerdem müssten die Besuchszeiten weit
weniger restriktiv ausgestaltet werden. Gerade für ehrenamtliche
Berater*innen sei es schwierig, bis 17 Uhr in der Haftanstalt zu
erscheinen. In NRW sei der Zugang bis 22 Uhr möglich.
Bei der Gesundheitsversorgung
strich Frank Gockel die absolute Notwendigkeit heraus, psychisch
Erkrankte bereits bei der Aufnahmeuntersuchung zu identifizieren, also
auch gesetzlich zu regeln, dass die Untersuchung darauf abzielen muss.
Dass eine Gesundheitsversorgung, die allein auf das
Asylbewerberleistungsgesetz und eine*n nicht näher definierte*n
Mitarbeiter*in für medizinische Versorgung abgestelle, nicht ausreiche,
liegt für Petra Zais auf der Hand. Im Falle einer Krise eines
Betroffenen müsse das Personal sensibilisiert sein, so Geert Mackenroth
und die entsprechenden Schritte einleiten. Das funktioniere nicht, so
Frank Gockel.
Vor allem dann nicht, wenn hinsichtlich des Personals
private Sicherheitsunternehmen in der Anstalt arbeiten. Diese sind laut
Gesetzesentwurf zwar lediglich für den externen Wachschutz vorgesehen,
übten aber bereits dann hoheitliche Entscheidungen aus, wenn sie
entscheiden würden, wer die Haftanstalt betrete oder nicht. Aus dem
Publikum wurde später auf die einschlägigen Erfahrungen mit einigen
sächsischen Security-Unternehmen und den politischen Orientierungen der
von ihnen eingestellten Mitarbeiter*innen hingewiesen. Diese Problematik
sei Geert Mackenroth bekannt.
Damit der Beirat
eine gute Arbeit leiste, müsse er regelmäßg in der Haftanstalt sein und
dort Sprechstunden leisten, so Frank Gockel. Anderenfalls würden sich
die Beiratsmitglieder lediglich mit den Problemen beschäftigen, die die
Anstaltsleitung an sie herantrage, nicht aber mit dem, was die
Betroffenen berichten. Bei einem Beirat, bei dem vier von sechs
Mitgliedern Abgeordnete des Landtags, der Sächsischen
Ausländerbeauftragte und ein*e Vertreter*in des Innenministeriums seien,
sei das nur schwer vorstellbar. Umso mehr, so später auch aus dem
Publikum angemerkt, wo es doch einen erheblichen Interessenkonflikt
gebe, wenn das Innenministerium selber im Beirat vertreten sei. Deswegen
Frank Gockels Vorschlag, ein externes Beschwerdemanagement zu
etablieren. Für Geert Mackenroth wäre dies möglich, hier setze er aber
auf die Kreativität des Beirats, ein solches zum Beispiel über seine
Geschäftsordnung oder eine Verordnung des Innenministeriums zu
etablieren. Kritisch merkte Petra Zais an, dass die Legislative hierauf
dann keinen Einfluss habe und allein die Exekutive das
Beschwerdemanagement gestalten könne. Zwei weitere Mitglieder werden im
Beirat vertreten sein. Der Gesetzesentwurf spricht von einer
Hilfsorganisation, womit ein Wolhfahrtsverband gemeint sein dürfte sowie
einer „Migrant*innenorganisation“.
Abschließend berichtete Geert Mackenroth über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens.
Die Anhörung am 26. März habe bei einigen Stellen zum Nachdenken
angeregt. Die Ankündigung, dass das Gesetz bei der Plenarsitzung Ende
April den Landtag passiere, kann als revidiert eingestuft werden.
Vorerst sei geplant, das Gesetz Ende Mai zu verabschieden.
Abschließend
sei Frank Gockel noch einmal wiedergegeben, der Mechanismen aufzeigte,
wie ein Bundesland Abschiebungshaft auch einfach verhindern könne.
Schleswig-Holstein habe die Hürden über Erlasse und Verordnungen für
seine Ausländerbehörden so hoch gesetzt, dass sie im Grunde keine
Haftanträge mehr stellen könnten. Wenn die Landesregierung von ihren
Ausländerbehörden beispielsweise verlange, dass Minderjährige
„kindergerecht“ inhaftiert werden müssen, dann können Minderjährige
faktisch nicht mehr inhaftiert werden. Denn, so Frank Gockel, „einen
kindergerechten Haftplatz, den gibt es nicht.“
Die
Veranstalter*innen, der SFR e.V. und weiterdenken –
Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, danken den teilnehmden Gästen sowie
Marianne Thum von der AG Asylsuchende/ Sächsische Schweiz –
Osterzgebirge für ihre gelungene Moderation zu einem komplexen und
umstrittenen Thema. Außerdem sei dem riesa efau für die Möglichkeit
gedankt, die Veranstaltung in seinem Dachsaal abhalten zu können.
WEITERE TERMINE
Wir tingeln momentan durch Sachsen, um Menschen über Abschiebungshaft
und den geplanten Vollzug in Dresden zu informieren. Bei der AG
Asylsuchende in Pirna sowie bei Bon Courage in Borna waren wir bereits.
Weitere Termine am:
| 17. April, 19 Uhr: AZ Conni, Dresden
| 18. April, 17 Uhr: Stadtteiltreff Freiberg mit dem Arbeitskreis Ausländer und Asyl Freiberg e.V.
| 19. April, 15 Uhr: Uni Leipzig, Seminargebäude (genauer Ort
wird auf unserer Website imVeranstaltungskalender auf der Startseite
rechts bekanntgegeben) mit der Refugee Law Clinic Leipzig e.V.
| 26. April, 18 Uhr: Steinhaus Bautzen mit dem House of Resources/ Willkommen in Bautzen e.V.
| Und am 03. Juni, 15 Uhr, protestieren wir gegen Abschiebungshaft in Dresden. Mehr Infos folgen!
Interesse,
auch über Abschiebungshaft informiert zu werden? Dann einfach an
gaertner@sfrev.de schreiben. Wer lieber liest, möge sich hier informieren.