Offener Brief für eine aktive und partizipative Erinnerungskultur
Im Mai waren wir vom Bildungsverein Parcours e.V. zusammen mit anderen Vereinen und Initiativen auf einem bundesweiten Vernetzungstreffen in Nordhausen, um über die aktuellen Herausforderungen für die Erinnerungskultur zu diskutieren. Herausgekommen ist ein offener Brief für eine offene, plurale und partizipative Erinnerungskultur. Der offene Brief ist online abrufbar.
Offener Brief
für eine aktive und
partizipative Erinnerungskultur
„Weil der Mensch Zweck und kein Mittel ist,
wird er sich immer wieder entscheiden müssen. […]
Unaufhaltsam ergeht die Frage an den Menschen:
Wer bist du, wo stehst du, was ist dein Programm?“Dick de Zeeuw, Überlebender nationalsozialistischer Konzentrationslager
Wir sind ehrenamtliche Arbeitsgemeinschaften, Initiativen und Vereine aus ganz Deutschland, die sich für die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und deren Opfer einsetzen. Unser Engagement findet unter anderem an den historischen Orten statt, an denen vor mehr als 70 Jahren Menschen verfolgt, entrechtet und ermordet worden sind. Mit unserer Arbeit gestalten wir die Erinnerungskultur aktiv mit. Diese wird nicht nur von den großen Gedenkstätten geprägt, die oftmals selbst aus dem Engagement einzelner Gruppen entstanden sind und nicht selten erkämpft werden mussten. Auch unsere Vereine und Initiativen organisieren Gedenkveranstaltungen, leisten Vermittlungsarbeit, erhalten historische Orte und setzen sich für Demokratie und Menschenrechte ein.
Die Erinnerungskultur entstand und entsteht aus der Gesellschaft heraus: Alle können unsere Arbeit und Inhalte kennenlernen, können aktiv mitwirken und unterstützen, können hinterfragen und diskutieren.
Mit großer Sorge beobachten wir jedoch, dass von politischer und gesellschaftlicher Seite die Erinnerungskultur in Frage gestellt wird. NS-Verbrechen werden kleingeredet und relativiert. Gleichzeitig nehmen Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten zu. Unsere offene und plurale Gesellschaft wird durch Hetze, Rassismus und Antisemitismus in der Öffentlichkeit, im Internet und in den Parlamenten bedroht.
Wir sprechen uns gegen jedwede Versuche der Relativierung und Verharmlosung von NS-Verbrechen und jede Form von Diskriminierung aus.
Auch in Zukunft wollen und werden wir unsere Arbeit fortsetzen und uns für ein angemessenes Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, sowie für die kritische Vermittlung des Geschehenen, seiner Ursachen und Kontinuitäten, einsetzen. Wir werden uns gegen jede Bestrebung stellen, welche die über viele Jahre erarbeitete und oft erkämpfte Gedenkkultur angreift oder versucht, hier eine „Wende“ einzuleiten. Vielmehr wollen wir sie weiterentwickeln und die vielfältigen Aspekte der Geschichte sichtbar machen.
So stehen wir aktuell zusammen an der Seite der Geschichtswerkstatt Sachsenburg e.V., welche gegen den Abriss von Originalgebäuden des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenburg und für die Einrichtung einer angemessenen Gedenkstätte kämpft.
Derzeit haben 12 Personen/Initiativen diesen Brief unterzeichnet. Auch Sie können diesen Brief unterzeichnen!