Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD
[Update 08.02.2021: Hier findet sich eine Aktualisierung der Handreichung]
Im 70. Jahr des Bestehens wird das Grundgesetz wie wohl noch nie von innen angegriffen. Ein maßgeblicher Akteur dahinter ist der parlamentarische Arm der radikalen Rechten: die Alternative für Deutschland. Bei den Angriffen geht es nicht nur um einzelne Artikel, sondern um zentrale Prinzipien unserer Verfassung, wie Menschenwürde, Gleichstellung, Presse- und Religionsfreiheit.
Aber auch die Souveränität des Rechtsstaates und das Monopol staatlicher Gewalt insgesamt werden infrage gestellt. Identitätspolitiken, Chauvinismus und Nationalismus bedienen Ängste und Ressentiments, die wiederum Ausgrenzung, Gewalt und Mord legitimieren.
Mit der Handreichung wollen wir von der Amadeu Antonio Stiftung all jene unterstützen, die von Angriffen der AfD betroffen sind, und Engagierten in Zivilgesellschaft, Medien, Kunst, Parlamenten, Bildung und anderen Bereichen Informationen und Handlungsempfehlungen für die Auseinandersetzung mit der radikalen Rechten an die Hand geben. Denn es geht nicht nur um einen Meinungsstreit, sondern um die Verteidigung der offenen Gesellschaft und des demokratischen Miteinanders.
Erscheinungsjahr: 2019
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Pressemitteilung der Amadeu Antonio Stiftung vom 13. August 2019
Die AfD ist die erfolgreiche NPD
Berlin, 13.08.2019. Die Amadeu Antonio Stiftung warnt davor, die rechtsradikale AfD als rechtspopulistische Partei zu verharmlosen. Die AfD hat mit ihren Angriffen auf die liberale Demokratie die Programmatik der NPD modernisiert und anschlussfähig gemacht. Sie höhlt die Demokratie von innen aus, greift Grundrechte an und versucht, Verteidiger der Demokratie gezielt unter Druck zu setzen. Zu diesem Ergebnis kommt die Handreichung „Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“, die die Stiftung am Dienstag vorstellte.
Die heutige AfD hat sich seit 2013 von der Professorenpartei radikalisiert und es geschafft, einen Schulterschluss zur rechtsextremen Szene herzustellen und deren Programmatik in die Parlamente zu tragen. Dabei nutzt sie Anfragen und Debatten in den Parlamenten, sowie Gesetzentwürfe und Gremienarbeit, um die Demokratie von innen heraus anzugreifen. Viele Institutionen erfahren eine massive Einschränkung ihrer Arbeit.
„Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm der extremen Rechten entwickelt, die die Demokratie wie nie zuvor in ihren Grundfesten angreift. Die AfD ist die erfolgreiche NPD. Sie hat üppige finanzielle Mittel und geschulte Kader, um ihren Feldzug gegen die Demokratie zu führen“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. „Die AfD macht längst keinen Hehl mehr aus ihrer Demokratiefeindlichkeit. Ob Politik, Medien, Schulen, Vereine, Kunstschaffende – die AfD hat zum Rundumschlag gegen alle ausgeholt, die die Demokratie verkörpern.“
AfD greift verfassungsgemäße Grundrechte an
Neben der Migrationspolitik als zentralem Thema ihrer Propaganda, greift die AfD auch demokratische Grundsätze in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Bereichen an. Die AfD will die staatliche Förderung von politischer Bildung außerhalb von Parteien unter Strafe stellen, sie schließt Medien von Parteitagen aus und diffamiert Medienschaffende, sie lässt die Angehörigen von Minderheiten zählen, stellt Lehrerinnen und Lehrer an den Pranger und versucht in die Kunstfreiheit von Theatern einzugreifen.
AfD diffamiert demokratische Akteure und versucht sie mundtot zu machen
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte berichten von massiven Angriffen auf ihre Arbeit:
„In vielen Kommunalparlamenten und Kreistagen stellen AfD-Abgeordnete Gleichstellung und damit einen Verfassungsauftrag infrage“, erklärt Susanne Löb, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. „Wenn es sich anbietet, um gegen Migranten zu hetzen, bringt sich die AfD als Beschützerin der Frauen in Stellung. In Wahrheit verfolgt sie eine Politik, die sich gegen Gleichstellung und Emanzipation richtet und macht Frauen verächtlich.“
„Die AfD steht für eine zutiefst menschenfeindliche Agenda und ein völkisches und autoritäres Weltbild. Das steht im absoluten Gegensatz zu den Zielen und Werten der Jugendverbände.“, kritisiert Lisi Maier, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendring (DBJR). „Nicht nur die politischen Inhalte, auch der Politikstil der AfD ist aus unserer Sicht unvereinbar mit einer modernen, vielfältigen und jugendgerechten Gesellschaft.“
Wie Träger der politischen Bildung um ihre Zukunft bangen müssen, zeigt das „Dorf der Jugend“ im sächsischen Grimma. Der Verein des von Jugendlichen selbst aufgebauten Projekts beantragte Ende 2018 die Anerkennung als freier Träger, um die Sozialarbeit ausbauen zu können. Weil der Verein aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung mit der AfD vermeintlich nicht neutral sei, wurde diese Anerkennung zunächst verwehrt und erst nach langem Ringen erteilt.
„Es ist einfach nur zynisch, wenn die Förderung von ganz praktischer Demokratiearbeit auf der Kippe steht, weil Ämter im vorauseilenden Gehorsam gegenüber einer Partei handeln, die die Demokratie selbst angreift“, sagt Tobias Burdukat, Sozialarbeiter und Projektinitiator. „Die AfD verfolgt die Strategie, die Arbeit von Trägern der politischen Bildung unmöglich zu machen. Sie setzt Träger unter Druck, will Gelder streichen, Engagierte mundtot machen und stellt politische Bildung grundsätzlich infrage. Wenn eine Partei Menschen, die politische Bildung betreiben, im Gefängnis sehen will, müssen alle Alarmglocken schrillen.“
Die sächsische AfD-Landtagsfraktion hat einen Gesetzentwurf formuliert, der die staatliche Förderung von politischer Bildung außerhalb von Parteien verbietet und bei Zuwiderhandlung Geld- bzw. Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vorsieht.
Amadeu Antonio Stiftung rät zu klarer Positionierung
„Wer die AfD jetzt immer noch als rechtspopulistische oder demokratische Partei bezeichnet, verharmlost, wie konkret die Demokratie in Gefahr ist. Viele Institutionen machen sich Gedanken, wie sie sich jetzt gegen die Rechtsradikalen und für die liberale Demokratie positionieren können. Es gibt eine große Solidarität der Betroffenen untereinander, doch das reicht nicht“, führt Timo Reinfrank aus. „Es ist höchste Zeit für einen gesamtgesellschaftlichen Konsens zur Ächtung der Rechtsradikalen. Dazu gehört auch das überparteiliche Einvernehmen, dass ein Anbiedern an die AfD sie nur stärkt.“
Mit ihrer neuen Handreichung zeigt die Amadeu Antonio Stiftung, wie sich Institutionen gegen Angriffe der AfD wehren können. Eine zentrale Empfehlung der Stiftung ist es, sich in der Satzung oder einem Leitbild zu demokratischen Grundwerten zu positionieren. Auf dieser Grundlage können Strategien gegen Anfeindungen und Versuche der Vereinnahmung durch die AfD entwickelt und begründet werden.
Über die Amadeu Antonio Stiftung: Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.