TolSax Update | März 2025
Im Editorial des März-Newsletters lädt uns Claudia Preuss an den Mittagstisch vom Wegweiser e.V. Böhlen ein. Da geht es um um die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, die Sorge vor Altersarmut und die ungleiche Verteilung von Vermögen. Das Fazit: „Es ist zu viel zu tun! Raus zum Feministischen Kampftag! Her mit den gleichen Chancen für alle – denn der 8. März ist immer, vor allem in Beziehungen, zu Hause, am Mittagstisch, auf Arbeit und am Tresen!“ Wie gewohnt findet Ihr in diesem Newsletter wieder Termine, Fördertipps und weitere Anregungen für Euer Engagement in Sachsen.
Editorial von Claudia Preuss | Wegweiser e.V.
Liebe Mitglieder, liebe Engagierte,
raus zum feministischen Kampftag!
Darf ich Euch kurz an unseren Mittagstisch im Büro des Wegweiser e.V. in Böhlen einladen? Der Raum ist nicht besonders liebevoll eingerichtet – ein paar braunblättrige Zimmerpflanzen auf dem Fensterbrett, ein Ahorn-Dekorfolien-Büroschrank und ein riesiger Konferenztisch, der aussieht wie ein Pit Bull Terrier in einer viel zu kleinen Transportbox.
Eine Freundin und Kollegin ist zufällig da und wir plaudern. Sie ist Schulsozialarbeiterin, sympathisch, engagiert und patent. Wie kamen wir nochmal auf das Thema „Neue Liebe mit Ü40“?
Ach ja! Wir debattierten über die freiwillige Nachzahlung von Rentenkassenbeiträgen, als ich mit Mitte 20 als Solo-Selbstständige mein Glück auf dem Freelancer-Markt versuchte und mir Vorsorge fürs Alter irgendwie nicht wichtig war.
Die Kollegin mit der meisten Lebenserfahrung am Tisch, warf ein, dass diese Nachzahlungen nur bis zum 45. Lebensjahr möglich sind. Fuck! Echt? Aber ich verdiene doch erst Geld, seitdem die Kinder selbstständiger sind! Vorher habe ich mich darum gekümmert und bin auf dem Arbeitsmarkt hin- und hergeschwappt! Naja: Ich lasse mir die Empörung nicht anmerken und entgegne humorvoll: „Mist, knapp verpasst, dann muss ich wohl reich einheiraten!“
Alle lachten. Ich fand das nicht lustig!
Wieso?
Heiraten!
Liebe ist doch etwas ganz Wunderbares!
Zweisamkeit statt Einsamkeit, Sicherheit statt Zwiespalt und Rentensplitting statt Altersarmut!
Aber was ist, wenn aus Liebe Arbeit wird, die riesige Berufsbranchen abbildet? Zum Beispiel die Pflegebranche oder der Bildungssektor! Ohne Worte: In Sachsen sind nur 3,5 % des Pflegepersonals im ambulanten Pflegediensten männlich.
Passt das Berufsbild der zuhörenden, verständnisvollen und einfühlsamen Sozialarbeiterin nicht gut ins Rollenbild der liebenden Partnerin, die gerne zuhört und selbstreflektierende Fragen stellt, damit sich ihr Partner wie von selbst weiterentwickeln kann und Großes im Job erreichen kann?
Pff… Love sucks!
Meine Kollegin wirft ein, dass sie in ihrer Diplomarbeit zum Thema „Neue Liebe im Alter“ Studien analysiert, wie Frauen über neue Partnerschaften in der zweiten Lebenshälfte denken und welche Befürchtungen sie haben. Frauen sind nach wie vor Hauptverantwortlich, wenn es zu einem Pflegefall in der Familie kommt. Frauen in Deutschland haben im Jahr 2022 pro Woche durchschnittlich rund 9 Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer, das entspricht 1 Stunde und 19 Minuten pro Tag. Der Gender Care Gap lag damit bei 44,3 %. Diese Kennziffer zeigt den unterschiedlichen Zeitaufwand, den Frauen und Männer ab 18 Jahren für unbezahlte Arbeit durchschnittlich aufbringen.
Mir liegen noch die Worte meiner Ex-Schwiegermutter im Ohr, die ihren Mann verlor, als sie fast 60 war. Sie sagte, dass sie von ihren gleichaltrigen Freundinnen immer sehr um ihre Freiheiten beneidet wird. Sie könne einfach alles machen. In den Urlaub fahren, ins Theater gehen, Kinobesuche und ihrer parteipolitischen Arbeit nachgehen – alles kann sie ganz frei entscheiden. Fast alle ihre Freundinnen sind über 70 und pflegen jetzt ihre Ehemänner.
Zurück zur Liebe mit Ü40!
Welches Ziel habe ich denn nun, sollte ich reich einheiraten?
Überzeugen? Aufklären? Informieren? Sensibilisieren?
Naja, ich habe noch nie mit einem Millionär gesprochen, geschweige denn, wüsste ich, wo man einen trifft. Dank der kleinen Anfrage von Susanne Schaper gibt es in Sachsen 400 Millionäre und das höchste zu verteuernde Jahreseinkommen einer einzelnen Person in Sachsen lag im Jahr 2022 bei sechzig Millionen Euro. Die ungleiche Verteilung von Vermögen und der dazukommende Rechtsruck macht die gesellschaftlichen Furchen noch tiefer. Rechte und antifeministische Narrative sind längst in der sogenannten Mitte angekommen.
Mir wird klar, dass es nach diesen Wahlergebnissen, in meinem Alter und unter diesen Umständen einfach keine Zeit für Liebe gibt. Es ist zu viel zu tun!
Also: Für unsere Töchter, unsere Enkel*innen, für unsere Mütter und Freund*innen und alle FLINTAS!
Raus zum Feministischen Kampftag!
Her mit den gleichen Chancen für alle – denn der 8. März ist immer, vor allem in Beziehungen, zu Hause, am Mittagstisch, auf Arbeit und am Tresen! Lasst nicht locker, streitet weiter! Wütend, hysterisch und gern auch laut! Viel Spaß bei der Lektüre des März-Newsletters wünscht
Claudia Preus | Wegweiser e.V. | c.preuss@wegweiser-boehlen.de
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Anmerkung: Die Einleitung spiegelt nicht die Meinung des Netzwerkes oder des Sprecher_innenrates wieder, sondern einzig der Verfasser_innen.