Statement: Demokratieförderung im Landkreis Bautzen gestrichen – Netzwerk Tolerantes Sachsen fordert Rücknahme der Entscheidung
Die Verwaltung des Landkreises Bautzen hat Anfang des Jahres eigenmächtig entschieden, das bereits seit vielen Jahren bestehende Projekt „Partnerschaften für Demokratie“ (PfD) zu beenden. Darüber wurde das Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit e.V. als langjähriger Träger der externen Koordinierungs- und Fachstelle der PfD im Landkreis Bautzen am 21. Januar 2025 vom Büro des Landrates per Mail informiert. Die in ganz Deutschland bestehenden Partnerschaften für Demokratie werden wesentlich über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. Mit der Rücknahme des bereits bewilligten Antrags für den Zeitraum 2025-2032 verzichtet der Landkreis auf Fördermittel des Bundes in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen Euro (200.000 Euro pro Jahr). Begründet wird diese Entscheidung mit der prekären Haushaltslage des Landkreises. An der Umsetzung des Projekts muss sich der Landkreis u.a. mit einer halben Stelle in der Verwaltung beteiligen.
Über die „Partnerschaften für Demokratie“ werden Projekte und Veranstaltungen lokaler Träger und Kommunen zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements und des demokratischen Zusammenhalts gefördert. Wesentlicher Teil der Arbeit ist das Engagement gegen jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierungen. Projekte zur Jugendbeteiligung, Nachwuchsgewinnung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements – wie Jugendleiterschulungen, Fördermittelberatungen, Kulturprojekte im ländlichen Raum oder auch Vor-Ort-Beratungen für Vereine – können im Landkreis Bautzen nun nicht mehr angeboten werden.
Als Netzwerk Tolerantes Sachsen können wir diese Entscheidung nicht nachvollziehen. Damit verzichtet der Landkreis auf Fördermittel, die er dringend braucht und aus eigener Kraft nicht aufbringen kann. Offenbar gab es bisher keine Bemühungen seitens des Landkreises, auf Landes- oder Bundesebene eine Lösung zu finden, um die Fortführung des seit 2011 bestehenden Projekts (PfD und Vorgängerprogramm „Lokaler Aktionsplan“) zu ermöglichen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt, demokratische Grundwerte wie Offenheit und Vielfalt sind nicht selbstverständlich; dies haben auch in den vergangenen Wochen und Monaten rechte Aufmärsche in der Region deutlich gemacht. Laut der Opferberatung Support des RAA Sachsen e.V ist der Landkreis Bautzen seit Jahren eine Schwerpunktregion rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen. Auch die Minderheit der Sorben wird aktuell immer wieder durch Neonazis bedroht und angegriffen. Um dagegen zu wirken, bedarf es des Engagements der vielen Menschen, Vereine und Initiativen, die sich im Landkreis für gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen.
Der Landkreis hat mit der Streichung der „Partnerschaften für Demokratie“ gegen die eigenen Interessen entschieden und setzt noch dazu ein Zeichen des Misstrauens gegen diejenigen Bürger_innen, die sich für demokratischen Zusammenhalt und Menschenrechte, gegen Rechtsextremismus und Menschenverachtung einsetzen.
Wir fordern die Rücknahme der Entscheidung, das Projekt „Partnerschaften für Demokratie“ im Landkreis Bautzen zu beenden. Wir fordern den Landrat und die Landesregierung auf, gemeinsam Möglichkeiten zu prüfen, wie die fehlenden Mittel realisiert werden können. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ muss pro-aktiv auf die betroffene PfD zugehen und Lösungen anbieten. Prekäre Haushaltslagen auf kommunaler Ebene dürfen keine Rechtfertigung dafür sein, fahrlässig oder gar mutwillig die wichtige Arbeit für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden.
Das gilt auch für die Landesebene. Die Minderheitsregierung und die demokratischen Abgeordneten des Landtages in Sachsen rufen wir auf, jedwede Pläne zur Kürzung oder Streichung von Mitteln im Bereich Demokratieförderung, Extremismusprävention, Integrative Maßnahmen oder Politische Bildung beiseite zu legen.
Das Netzwerk Tolerantes Sachsen ist ein Zusammenschluss von mehr als 150 sächsischen Initiativen, Vereinen und Organisationen, die sich für die Förderung demokratischer Kultur und gegen Einstellungen der Ungleichwertigkeit, Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Aktuell wird die Arbeit des Netzwerks u.a. über das Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ als Fachnetzwerk zur Stärkung demokratischer Werte und Handlungskompetenzen gefördert.