Deitsch on frei woll mer sei – eine Sozialraumanalyse des Erzgebirgskreises

Autor_innen: Resonanzraum Erzgebirge e.V.

Das Erzgebirge ist eine traditionsreiche, aber auch herausgeforderte Region, denn gerade die Kultur und Traditionen werden seit einiger Zeit von extremistischen Gruppierungen immer wieder instrumentalisiert. Das alte Lied „Deitsch on frei woll mer sei“ von Anton Günther von 1908, das ursprünglich die regionale Identität feierte, wird heute von rechten Gruppen missbraucht, um gegen als „fremd“ empfundene Menschen zu hetzen.

Hinzu kommt ein starker Bevölkerungsrückgang, den die Menschen im Erzgebirge in den letzten Jahrzehnten erlebten. Seit den 1990er Jahren haben viele junge Menschen und besonders Frauen die Region verlassen, was zu einer alternden Gesellschaft führte. Diese sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche haben Unsicherheiten erzeugt, die rechte und antidemokratische Gruppen wiederum für ihre Zwecke ausnutzen. Das Projekt „Deitsch on frei woll mer sei“ setzt sich damit auseinander, warum diese Region besonders anfällig für solche Ideologien ist und wie man dem entgegentreten kann.

Im Rahmen des Projekts wurden Interviews und Erzählcafés mit Menschen aus der Region durchgeführt, um deren Perspektiven auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu sammeln. Dabei wurde deutlich, dass viele Bewohner stolz auf ihre Kultur und Traditionen sind. Doch genau diese Werte nutzen rechte Gruppen aus, um ihre Ideologien zu verbreiten. Sie propagieren die Verteidigung der „Heimat“, meinen damit aber nicht den Schutz der regionalen Kultur, sondern den Ausschluss von Menschen, die nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen.

Die Aussagen aus diesen Gesprächen, sowie aus einer Onlineumfrage, wurden ausgewertet und in einer Sozialraumanalyse mit dem Titel „Deitsch on frei woll mer sei“ veröffentlicht.

Ein zentrales Konzept, das in der Analyse des Projekts herausgearbeitet wurde, ist die sogenannte „repressive Harmonie“. Dieses Phänomen beschreibt, wie in ländlichen Regionen oft ein Bild von friedlicher Gemeinschaft und Idylle aufrechterhalten wird, indem alles, was als störend empfunden wird, ausgegrenzt oder unterdrückt wird. Das können neue Ideen, andere Lebensweisen oder Menschen sein, die als „fremd“ gelten. Diese Form der Harmonie führt dazu, dass Konflikte vermieden werden, was extremistische Gruppen geschickt für ihre Zwecke nutzen.

Was bedeutet das jetzt für uns? Wir müssen lernen, den Unterschied zwischen Traditionen und ihrer Instrumentalisierung zu erkennen. Traditionen können uns Halt geben, aber wenn sie benutzt werden, um Menschen auszugrenzen oder zu diskriminieren, dann haben wir ein Problem. Wir möchten wir Wege finden, wie wir in der Region einen offenen, demokratischen Diskurs fördern können, ohne dass antidemokratische Gruppen die Deutungshoheit über „Heimat“ und „Identität“ übernehmen.

Der Erzgebirgskreis ist nicht allein mit diesen Problemen. Ähnliche Entwicklungen gibt es in vielen ländlichen Regionen in Deutschland und darüber hinaus. Es ist an uns allen, diese Tendenzen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken – egal, ob wir im Erzgebirge leben oder nicht.

Download der Analyse (PDF)

Weitere Informationen

Resonanzraum Erzgebirge e.V.

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