Nach Absage von Veranstaltung mit Prof. Dr. Benny Morris: Wissenschaftler am Else-Frenkel-Brunswik-Institut solidarisieren sich mit Theologischer Fakultät

Autor_innen: Else-Frenkel-Brunswik-Institut

04.12.2024

Das Direktorium des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) an der Universität Leipzig ist betroffen von der Absage des Vortrags von Benny Morris. Der international renommierte Historiker sollte im Rahmen der Ringvorlesung Antisemitismus an der Theologischen Fakultät über den Nahostkonflikt referieren. Der Vortrag wurde wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Die EFBI-Wissenschaftler solidarisieren sich mit den Kolleginnen und Kollegen, die diese wichtige Veranstaltungsreihe vorbereitet haben, sowie mit dem Referenten.

Die Universität Leipzig hat einen Vortrag des israelischen Historikers Benny Morris, der am 5. Dezember hätte stattfinden sollen, abgesagt. Die Organisatoren der Theologischen Fakultät gaben als Grund erhebliche Sicherheitsbedenken an. Mittlerweile haben sowohl die Universität Leipzig als auch das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur ihr Bedauern über die Absage ausgedrückt und die Bedeutung des freien Austauschs für die Wissenschaft hervorgehoben. Es hätten, so die Einschätzung, auch Wege gegeben, um die Veranstaltung durchzuführen. Die EFBI-Wissenschaftler teilen das Bedauern über die Absage und die Forderung nach einer Universität als Ort des freien wissenschaftlichen Diskurses. Gleichzeitig ist es ihnen wichtig, die Schwierigkeiten hervorzuheben, vor die Wissenschaftler derzeit durch die Polarisierung der Gesellschaft gestellt sind.

Bereits in der Vergangenheit hatten ähnliche Proteste zu gewaltvollen Situationen geführt. „Wir sehen deshalb die Wissenschaftsfreiheit bedroht – nicht durch die Absage, sondern durch die zum großen Teil anonyme Androhung, den wissenschaftlichen Austausch mit Gewalt zu verhindern“, sagt Prof. Dr. Oliver Decker, Leiter des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts. Dr. Fiona Kalkstein, stellvertretende EFBI-Leiterin, ergänzt: „Wir verurteilen dabei auch die mit den Mobilisierungsaufrufen einhergehende Form der Vereindeutigung hochkomplexer Themen.“ Wissenschaftler seien dabei oft persönlichen Angriffen ausgesetzt. Die Belastung sei in den vergangenen Jahren sichtbar gewachsen, Sorgen vor Veranstaltungen um die Sicherheit gehörten mittlerweile eher zur Regel als zur Ausnahme. Dr. Johannes Kiess, ebenfalls stellvertretender Leiter am EFBI, fügt hinzu: „Dass wissenschaftliche Veranstaltungen nur unter Polizeischutz an der Universität stattfinden können, ist nicht hinnehmbar und bedroht die Arbeitsbedingungen und die Wissenschaftsautonomie.“

Mit der Absage wurde ein Konflikt deutlich, der schon länger existiert. Die Entwicklung sollte der Anlass sein, sich mit der Polarisierung und dem Antisemitismus auch an deutschen Universitäten auseinanderzusetzen.

Die Wissenschaftler prangern an, dass sich die gesellschaftliche Atmosphäre in den vergangenen Jahren stark verschoben hat und antisemitische Einstellungen in der Gesellschaft wieder zunehmen. Erst vor wenigen Wochen haben Decker, Kalkstein und Kiess zusammen mit weiteren Autoren die Leipziger Autoritarismus Studie 2024 vorgestellt, die die politischen Einstellungen in der deutschen Gesellschaft misst. Die Untersuchung erfasste dabei einen leichten Anstieg bei den antisemitischen Einstellungen. In den vergangenen Jahren hat sich insbesondere israelbezogener Antisemitismus zu einer Brückenideologie in der deutschen Gesellschaft entwickelt. War auch schon davor tradierter Antisemitismus und Schuldabwehrantisemitismus weitverbreitet, so zeigt sich heute die Anschlussfähigkeit des israelbezogenen Antisemitismus über verschiedene politische Milieus hinweg: Ihn kennzeichnet unter anderem ein doppelter Standard, den auch die Veranstalter der Ringvorlesung zu Antisemitismus in ihrer Stellungnahme zur Absage des Vortrags von Benny Morris beklagen. In der Leipziger Autoritarismus Studie haben die Studienautoren in diesem Jahr dokumentiert, dass bei Menschen, die sich selbst politisch linksaußen positionieren, die antisemitischen Motive viel Zustimmung erfahren. Sie sind in diesen Milieus zwar nicht im selben Maße breit geteilt wie in politischen Gruppen rechtsaußen, aber kennzeichnen doch zunehmend mehr auch den innerlinken Diskurs.

Über das EFBI

Das an der Universität Leipzig angesiedelte Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) bildet eine Forschungsinfrastruktur in Sachsen, die demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen erforscht und dokumentiert. Im Vordergrund stehen dabei verschiedene Formen der Diskriminierung, die Strategien und Dynamiken rechts-autoritär motivierter Bündnisse und die Stärkung demokratischer Politik.

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Redaktion TolSax

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