Studie: Engagement von Frauen in der Kommunalpolitik in Sachsen
Autor_innen: Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Ob im Landtag oder in den kommunalen Vertretungen – Sachsen gehört im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern, wenn es um die Repräsentation von Frauen in der Politik geht. Die Ursachen für den niedrigen Frauenanteil in den Parlamenten sind vielfältig: Die Zunahme antidemokratischer und rechtsextremer Positionen wird insbesondere im ländlichen Raum als bedrohlich wahrgenommen, gerade in den kommunalen Parlamenten machen Frauen Erfahrungen mit Sexismus und etablierten Männer-Netzwerken, zusätzlich begegnen sie herausfordernden Rahmenbedingungen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben.
Die Studie »Engagement von Frauen in der Kommunalpolitik in Sachsen« im Auftrag des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) und umgesetzt von der EAF Berlin (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft in Berlin e.V.) untersucht aktuell bestehende Ursachen und gibt Handlungsempfehlungen. Gemeinsam mit der EAF Berlin stellte Gleichstellungsministerin Katja Meier die Studie heute vor.
Die Datenerhebung im Rahmen der qualitativ empirischen Studie erfolgte von Oktober 2023 bis März 2024. Befragt wurden 89 Kommunalpolitikerinnen sowie parteipolitisch und zivilgesellschaftlich engagierte Frauen ohne Mandat in allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen. Die Studie zeigt, dass kommunalpolitisches Engagement häufig von einer Sozialisierung durch das Elternhaus oder das persönliche Umfeld getragen wird. Der Einstieg in die Kommunalpolitik geht sehr oft von einem Engagement in der Zivilgesellschaft oder in Ausbildungsinstitutionen aus. Kommunalpolitisch oder zivilgesellschaftlich engagierte Frauen wollen sich für ihre Heimat einsetzen und vor Ort etwas bewegen. Oft geht ihre Motivation mit dem Bedürfnis einher, der nächsten Generation etwas Positives mitgeben zu wollen, nicht selten verbunden mit der Sorge um die Zukunft der Region.
Gleichstellungsministerin Katja Meier: »Unsere Studie zeigt, dass Frauen sehr genau abwägen, ob sie sich kommunalpolitisch engagieren wollen. Dabei mangelt es ihnen nicht an politischem Interesse und Gestaltungswillen, sondern häufig fehlen geeignete Rahmenbedingungen, die die Bedarfe von Frauen berücksichtigen. Hinzu kommt derzeit ein politisches Klima, das von Populismus und Feindseligkeit geprägt ist und sexistische Anfeindungen und Rollenzuschreibungen wieder zunehmend normalisiert. Um den Rückschritt aufzuhalten und Sachsen gemeinsam und für alle lebenswert und nachhaltig zu gestalten, brauchen wir mehr Frauen in den Parlamenten. Mit der Studie haben wir einen ersten Schritt getan. Die darin formulierten Handlungsempfehlungen umzusetzen, wäre als nächster Schritt dringend notwendig.«
Frauen verfügen aufgrund von gesellschaftlich verankerten Rollenbildern und damit häufig verbundener ungleicher Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern über weniger materielle und zeitliche Ressourcen für kommunalpolitisches Engagement. Darüber hinaus stehen die institutionellen Rahmenbedingungen mit den Barrieren, die hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt bestehen, in unmittelbarer Wechselwirkung. Dazu gehören neben Sitzungszeiten bis tief in die Abendstunden und aufwendigen Vorbereitungen auch mangelnde finanzielle Kompensation zusätzlich nötiger Kinderbetreuung und, insbesondere im ländlichen Raum, lange Fahrzeiten.
Neben diesen strukturellen Gegebenheiten sind auch Erfahrungen von Abwertung und Ausgrenzung sowie das generelle gesellschaftliche und politische Klima ein Problem. Fast alle befragten Politikerinnen berichten von Erfahrungen mit Sexismus in der kommunalpolitischen Arbeit. Er begegnet ihnen im Kontakt mit Parteikollegen, Ratsmitgliedern, Bürgerinnen und Bürgern und den Medien. Das Erstarken antidemokratischer Haltungen und die allgemein als polarisiert beschriebene gesellschaftliche Stimmung drängt auch das Thema Anfeindungen und Bedrohungen in den Vordergrund. Dieses stellt ein starkes Hemmnis für die Förderung der Repräsentanz von Frauen und weiteren marginalisierten Personen in der Kommunalpolitik dar.
»Das sich zuspitzende politische und gesellschaftliche Klima wird von vielen Frauen als abschreckend und bedrohlich wahrgenommen. Zugleich führt es häufig zu einem »Jetzt erst recht!« und stellt eine starke Motivation dar, sich gerade jetzt in der Kommunalpolitik zu engagieren«, sagt Kathrin Mahler Walther, Studienleiterin und geschäftsführende Vorsitzende der EAF Berlin.
Die Studie zeigt klare Handlungsempfehlungen für die kommende Staatsregierung, die kommunalen Spitzenverbände und Kommunen, Parteien sowie zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure auf. Dabei gilt es vor allem, die jeweiligen Hemmnisse in ihrer Vielfalt in den Blick zu nehmen und auch spezifische Barrieren für Frauen mit Migrationsgeschichte oder Rassismuserfahrungen, Frauen mit Behinderungen, queere Frauen, Alleinerziehende oder Frauen in prekären Lebensumständen stärker zu adressieren und abzubauen, da deren Anteil in der Kommunalpolitik besonders gering ist.
Zum Hintergrund der Studie
Die Studie wurde in Umsetzung des Maßnahmenkataloges der Fachkommission zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen an Wahlämtern mit dem Ziel durchgeführt, handlungsleitende Erkenntnisse dazu zu gewinnen, wie der Anteil von Frauen in kommunalpolitischen Mandaten und Ämtern erhöht und die Attraktivität des kommunalpolitischen Engagements insgesamt verbessert werden kann. Der Anteil an gewählten Frauen nach den Kommunalwahlen 2024 in Sachsen beträgt in Gemeinde- und Stadträten im Durchschnitt 22,2 Prozent, in Kreistagen 19,2 Prozent. Sachsen gehört damit im bundesweiten Vergleich zu den Schlusslichtern.
Link zur Studie: https://www.gleichstellung.sachsen.de/studie-zum-engagement-von-frauen-in-der-politik-5165.html
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