Landtagswahlen 2024: Es droht eine Ausweitung der Gefahrenzonen

Direkt zur Analyse beim VBRG e.V.

Autor_innen: Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG)

Eine aktuelle Auswertung der im VBRG e. V. zusammengeschlossenen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, zeigt:
Im Kontext der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen droht eine Ausweitung der Gefahrenzonen für demokratisch und zivilgesellschaftlich Engagierte sowie Menschen, die aufgrund von rechten, rassistischen und antisemitischen Ideologien als Feindbilder markiert werden.

Auswirkungen zunehmender Gewaltbereitschaft

Schon vor den Kommunal- und Europawahlen im Juni 2024 hat vielerorts die Präsenz und Bedrohung durch die militante Anhängerschaft der AfD im öffentlichen Raum zugenommen. Die Markierung von Kandidaten:innen und Mandatsträger:innen demokratischer Parteien als „politische Feinde“ führte zu erheblichen und teils schweren Gewalttaten.

„Diese Angriffe richten sich gegen einzelne Politiker:innen und Engagierte – beim Plakatieren, beim Flyer-Verteilen und an Infoständen; betroffen sind aber auch Wahlkreisbüros und Wohnhäuser. Unter den Folgen der zunehmenden Gewalt leiden auch Angehörige und Familien der Angegriffenen ebenso wie deren Mitarbeitende und Helfer:innen“, berichtet eine Berater:in von SUPPORT in Dresden.

Eine Beraterin von SUPPORT Chemnitz ergänzt: „Mit der Normalisierung von rechter Gewalt gegen politisch Engagierte und politisch Verantwortliche und Kandidat:innen demokratischer Parteien wird Demokratie im Kern bedroht.

Das gesellschaftliche Klima vor Ort verschärft sich auch dort, wo Gesellschaft, Strafverfolgungsbehörden und Justiz über Jahre rassistische, antisemitische und rechte Angriffe verharmlost haben, die Strafverfolgung verschleppt wurde bzw. Betroffene mit Täter-Opfer-Umkehr konfrontiert waren und sind.“

Schwindender Raum

Das Engagierte sich zurückziehen, zeigt sich auch beim Rücktritt des mittelsächsischen Landrats Dirk Neubauer (parteilos) nach massiven Bedrohungen durch die Neonazi-Partei Freie Sachsen, u.a. durch Kundgebungen vor dessen Wohnhaus und Aufrufe ihn zu jagen. Die Opferberatungsstelle Support in Sachsen verzeichnet seit Mai 2024 mindestens 49 Vorfälle von rechter Gewalt gegen Parteien, Politiker*innen und Wahlkampfhelfer:innen.

Das politische Klima wird durch die Rechtspopulisten massiv aufgeheizt. Gewaltvolle Sprache schlägt in Gewalt um. Laut Angaben der Brandenburgischen Landesregierung gab es dort bereits im Rahmen der Europa- und Kommunalwahlen einen deutlichen Anstieg von Attacken mit rund 1000 politisch motivierten Straftaten. „Derartige wahltypische Straftaten sowie Angriffe auf Wahlkreisbüros müssen auch zukünftig einkalkuliert werden“, heißt es von der Landesregierung.

„Anfeindungen aus dem rechten Lager erschweren bereits jetzt unsere Arbeit. Die Rechten nehmen zunehmend soziale Räume ein und verbreiten ein Klima der Angst. Beratung für Betroffene muss dringend abgesichert werden. Umso wichtiger ist es, seine Stimme zu nutzen und sich für eine solidarische Zivilgesellschaft einzusetzen“, so Judith Porath, Geschäftsführerin des Opferperspektive e.V. und Vorständin VBRG.

Wesentlich mitverantwortlich für die rechten Angriffe sind extrem rechte Parteien wie Freie Sachsen, III. Weg und die AfD. Deren Mandatsträger:innen sind auch selbst durch gewaltvolle Angriffe gegen politische Gegner:innen aufgefallen, wie die Analyse „Besorgniserregende Gewaltbereitschaft bei AfD-Funktionär:innen“ des VBRG zeigt.

Angriffe gegen Engagierte vor Ort

Die nachfolgende Auflistung an Beispielfällen aus dem Monitoring der Opferberatungsstellen machen die teilweise erheblichen Auswirkungen der Angriffe auf die Betroffenen deutlich:

13.08.2024, Oberhavel (BRB)

Ein 68-jähriger Wahlkampfhelfer der Grünen wurde in Hohen Neuendorf bei einer rechtsideologisch motivierten Attacke verletzt. Der Staatsschutz ermittelt.
Quelle: Presse, RBB

01.08.2024, Dohna (SN)
Mit den Worten „Verpisst Euch, sonst hack ich euch den Kopf ab“ und einem Schwert bedroht und verfolgt ein 69-Jähriger eine Gruppe von fünf Wahlkampfhelfer*innen der Partei Die Linke, die Flyer verteilten.

01.08.2024 Dresden Striesen

In den Tagen vor dem 01.08.2024 haben unbekannte Personen das Bürofenster der Partei „Die Grünen“ in Striesen mit einer Metallstange und zugehörigem Betonsockel beschädigt. Der Staatschutz der Polizeidirektion Dresden hat die Ermittlungen aufgenommen.

01.08.2024 Dürrührsdorf-Dittersbach

Ein großes Wahlplakat an der Bahnhofstraße in Dürrührsdorf-Dittersbach wurde mit einem 1 Meter großem Hakenkreuz beschmiert. Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurde durch den Staatschutz übernommen.

31.07.2024 Dohna

In Dohna wurden am Mittwoch fünf Wahlkampfhelfende (14-20 Jahre) der Linken beschimpft, bedroht und verfolgt. Diese waren nachmittags unterwegs um Wahlwerbematerial zu verteilen, als sie von einem Mann zunächst verbal und dann mit einem Schwert bedroht und verfolgt wurden. Die Betroffenen konnten flüchten und der Täter durch die Polizei ermittelt werden. Gegen ihn wird nun wegen des Verdachts der Nötigung ermittelt.

31.07.2024 Heidenau

Am Abend des 31.07.2024 waren zwei Personen (16 und 18 Jahre) in Heidenau auf dem Elbradweg unterwegs. Sie rissen mehrere Wahlplakate herunter und zeigten wiederholt den Hitlergruß. Gegen Beide ermittelt nun der Staatschutz wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Sachbeschädigung.

28.07.2024, Greiz

Im Nachgang einer Wahlkampfveranstaltung der AfD sowie entsprechender Gegenproteste, blockiert eine Gruppe von rund 15 Neonazis den Eingang zu einem Wahlkreisbüro der Linkspartei und hindert Personen daran das Büro zu betreten. Im Anschluss versucht die Gruppe der Neonazis in den Innenhof zu stürmen.
Quelle: Linksjugend Solid Thüringen

27.07.2024 Leipzig Probstheida

Großer Aufsteller Wahlplakat der SPD rassistisch beschmiert mit „Danke für Moscheen und Messer“

27.07.2024 Dresden Seevorstadt

Ein Wahlkampfteam der Piraten wurde in der Nacht zum Samstag von einer Gruppe bestehend aus drei Männern und einer Frau bedroht. Das Team war gerade dabei Plakate für die anstehenden Landtagswahlen auf der Prager Straße in der Seevorstadt. In Dresden hat es erneut einen Übergriff auf ein Wahlkampfteam gegeben. Eventuell gibt es einen Zusammenhang zur Elblandrevolte, die schon wegen mehrfacher Angriffe im Fokus der Polizei steht.

27.07.2024 Dresden Neustadt

In der Nacht zum Samstag wurde das Fenster des Büros der Partei „Die Piraten“ in der Neustadt besprüht. In einer Pressemitteilung der Piraten verwiesen sie auf das „Lambda“-Symbol als Erkennungszeichen der rechtsextremen Identitären Bewegung. Auch in diesem Fall ermittelt der Staatsschutz.

26.07.2024, Cottbus (BRB)
Eine CDU-Landtagskandidatin wird beim Aufhängen von Wahlplakaten in Gegenwart ihrer Kinder rassistisch beleidigt und von der Angreiferin anschließend mit einem Schlag in den Nacken verletzt.

24.07.2024 Chemnitz Zentrum

Polizist*innen stellten zwei Personen fest, welche mehrfach verfassungsfeindliche Parolen skandiert haben sollen. Zudem soll die 23-Jährige den Hitlergruß gezeigt und sechs Wahlplakate von Laternen abgerissen haben.

21.7.2024, Erfurt

Die Scheiben des Wahlkreisbüro von Bodo Ramelow, Karola Stange und André Blechschmidt (alle Die Linke) in der Innenstadt werden versucht einzuschlagen und dadurch beschädigt.
Quelle: x.com – Bodo Ramelow

20.07.2024 Leipzig Möckern

Zwei Männer entfernen 3 Wahlplakate der Partei Die Linke und beleidigen daraufhin den anwesenden Wahlkampfhelfer*innen der betroffenen Partei.

19.07.2024 Leipzig Meusdorf

Mann wird von Wahlhelfer*innen der Partei Die Linke auf Abreißen von Plakaten angesprochen, bedroht diese daraufhin mit einem spitzen Gegenstand und beleidigt sie.

13.07.2024 Bleicherode

Im Rahmen einer bundesweiten Aktion von Neonazis, wird vor dem Wahlkreisbüro der Landtagspräsidentin und Abgeordneten der Linkspartei, Birgit Pommer, ein schwarzer Holzkreuz mit rassistischem Inhalt aufgestellt.
Quelle: Thüringer Allgemeine

22.06.2024 Dresden Mitte

Am Wochenende vom 22.06.2024 wurde ein Loch in einem Fenster in der dritten Etage des Herbert-Wehner-Hauses gefunden. Da sich im betroffenen Haus das Parteibüro des SPD-Landesverbandes befindet, hat der Staatsschutz der Polizei Dresden die Ermittlungen aufgenommen. Laut Polizei sei das Projektil einer Druckluftwaffe an der Doppelscheibe abgeprallt. Personen wurden nicht verletzt.

07.06.2024, Eisenberg

In einem Supermarkt wird der Linken-Politiker Steffen Much von einem Mann beschimpft, bespuckt und am T-Shirt gepackt sowie bedroht.
Quelle: OTZ

Anfang Mai, Saalfeld-Rudolstadt

Der Kreistagsvorsitzende von Saalfeld-Rudolstadt wird in einem Rap-Track in sozialen Medien verunglimpft und bedroht.
Quelle: OTZ

04.05.2024, Dresden (SN):
Der SPD-Europawahl-Spitzenkandidat Matthias Ecke (41) wird beim Aufhängen von Wahlplakaten von vier jungen Neonazis aus dem Umfeld der „Elblandrevolte“ angegriffen und schwer verletzt. Er muss mehrere Tage mit einem Bruch der Augenhöhle stationär behandelt werden. Kurze Zeit vorher hatten die Angreifer auch ein 28-jähriger Wahlkampf-Helfer der Grünen ebenfalls beim Plakatieren bedroht und angegriffen.

22.05.2024, Limbach-Oberfrohna (SN)
Unbekannte Täter*innen zerstören mit Steinwürfen eine Fensterscheibe am Wohnhaus der Linken-Stadträtin Elisa Grobe. Bei einem zweiten Angriff wird ein Stein durch ein geöffnetes Fenster geworfen.

16.04.2024, Altenburg

Das Wahlkreisbüro des Landtagsabgeordneten Ralf Plötner (Die Linke) wird erneut von einem Mann und einer Frau angegriffen. Beide echauffieren sich lautstark über die Plakate der Partei im Schaufenster und der Eingangstür des Büros. Anschließend stürmt der Mann in das Büro und reißt die Plakate herunter und flüchtet mit der Frau vom Ort des Geschehens.
Quelle: Ralf Plötner

18.02.2024, Schnepfenthal (TH)
Mit Brandsätzen verüben unbekannte Täter einen Brandanschlag auf den Pkw und das Wohnhaus des SPD-Kommunalpolitikers Michael Müller. Eine im Wohnhaus schlafende vierköpfige Familie entkommt nur durch glückliche Zufälle den Flammen. Es entsteht ein Sachschaden von mehreren 10.000 Euro.

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Mehr Informationen

Support für Betroffene rechter Gewalt (RAA Sachsen)

Support - die Beratung für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt des RAA Sachsen e.V. berät und unterstützt sowohl Betroffene als auch Angehörige, Freunde und Freundinnen der Betroffenen und Zeug_innen eines Angriffs. Du findest unsere Arbeit wichtig? Unterstütze uns jetzt mit einer Spende!

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