JoDDiD veröffentlicht neue Studie: Demokratische Bildung im „Förderdickicht“

Autor_innen: JoDDID

Die Studie Demokratische Bildung im ‚Förderdickicht‘ untersucht die komplexe Finanzierungs- und Förderstruktur der außerschulischen politischen Bildung in Sachsen. Basierend auf leitfadengestützten Interviews und einem Forschung-Praxis-Dialog mit Akteuren aus politischen Entscheidungsträger:innen, Verwaltungmitarbeiter:innen und Bildungspraktiker:innen beleuchtet die Analyse die dickichtartige sächsische Förderlandschaft und zeigt die damit einhergehenden Herausforderungen auf. Im Anschluss werden Lösungsansätze und Handlungempfehlungen abgeleitet. Diese sollen dazu beitragen, die Effizienz der Fördermittelvergabe zu erhöhen und die Arbeit der Projektträger zu erleichtern, um letztlich die Qualität und Nachhaltigkeit der politischen Bildungsarbeit in Sachsen zu verbessern.

Ergebnisse

Die in den Interviews geschilderten Herausforderungen rund um die Förder- und Finanzierungsbedingungen der außerschulischen Bildungsarbeit werden in der Studie auf vier zentrale Problemfelder subsummiert:

  • Divergierende Erwartungen und Misskommunikation: Missverständnisse zwischen Projektträger:innen und Fördermittelgeber:innen führen häufig zu Unsicherheiten und Unverständnis auf beiden Seiten des Förderprozesses.
  • Bürokratische Vorgabe, Innovationszwang und Rechtfertigungsdruck: Aufwändige bürokratische Anforderungen und der Druck, ständig innovative Projekte zu entwickeln, belasten die Projektträger:innen. Aber auch öffentliche Mittelgeber:innen stehen vermehrt unter Rechtfertigungsdruck – und geben diesen z.T. an die Träger:innen weiter.
  • Kleinteilige Förderlandschaft und mangelnde Übersicht: Die Vielzahl an öffentlichen Förderrichtlinien und privatwirtschaftlichen Finanzierungsmöglichkeiten erschwert die Orientierung und lässt viele Bildner:innen den Überblick verlieren. Zudem ist eine Abstimmung oder eine klare Abgrenzung zwischen ihnen sowie eine übergeordnete Gesamtstrategie nicht zu erkennen.
  • Ungleichgewicht zwischen Projektförderung und Daueraufgaben: Die fast ausschließliche Finanzierungsart der Projektförderung durch Zuschussfinanzierung führt zu prekären Arbeitsbedingungen und einem Fachkräftemangel. Zudem passt diese Förderung nicht zur Daueraufgabe politisch-demokratischer Bildung in der Gesellschaft.

Auf Basis dieser Ergebnisse werden Lösungsansätze entwickelt, um die Effizienz der Fördermittelvergabe zu erhöhen und die Arbeit der Projektträger zu erleichtern. Die Studie zielt darauf ab, Wege aufzuzeigen, wie das sächsische „Förderdickicht” gelichtet werden kann, um die Finanzierung politisch-demokratischer Bildung transparenter und zugänglicher zu gestalten. Es finden sich Anregungen zur Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung einer nachhaltigen Finanzierungsstrategie für politisch-demokratische Bildung in Sachsen und darüber hinaus.

Ausgewählte Lösungsansätze: WAS ZU TUN IST… 

BERATUNG UND INFORMATION

  • Übersichtlichkeit durch die Implementierung des „Förderfinders“ für den Freistaat Sachsen schaffen sowie die dortigen Filterfunktionen ausbauen.
  • Transparente Darlegung zuständiger Ansprechpartner:innen für alle Schritte im Antrags- und Förderprozess.
  • Sicherstellung umfassender Antragsberatung, in der auch Hinweise auf wiederkehrende oder antizipierbare Probleme enthalten sind.
  • Formative Begleitung in der Projektentwicklung (beispielsweise zu didaktisch-methodischen oder wissenschaftlichen Fragestellungen ggf. in Form einer Schreibberatung) bereitstellen oder über externe Anbieter:innen ermöglichen.

ENTSCHEIDUNG UND BEWILLIGUNG

  • Bereitstellung einer sächsischen Förderplattform, über die eine vollständig digitale Antragstellung und ggf. auch Projektabrechnung ermöglicht wird.
  • Prüf- und Bewilligungsprozesse beschleunigen.
  • Bescheid und Mittelbereitstellung vor Beginn des Förderzeitraumes sicherstellen. Andernfalls muss über eine mögliche Kompensation nachgedacht werden, damit vorgesehenes Fachpersonal in der “Wartezeit” gehalten werden kann.
  • Überjährige Bewilligung durch Vorbindung der finanziellen Mittel z.B. über Verpflichtungsermächtigungen im Haushalt ermöglichen.
  • Ablehnungsbescheide transparent begründen.
  • Projektbewilligungen nur in (transparent) begründeten Einzelfällen von kommunalen Stellungnahmen abhängig machen.

VERNETZUNG UND ORGANISATION

  • Durch geringe prozentuale Abgaben verschiedener Förderrichtlinien aus dem Querschnittsbereich der demokratischen Bildung sollten lokale, trägerübergreifende Verwaltungsassistenzen finanziert und etabliert werden. Diese könnten für mehrere (beispielsweise ehrenamtlich getragene) Projektträger:innen und/oder Förderprogramme innerhalb einer gewissen Region Bürokratie- und Verwaltungsaufgaben übernehmen, Kommunikation mit Bewilligungsstellen abnehmen und ggf. Projektträger:innen als funktionelle ‘Förderlotsen’ zu Finanzierungsmöglichkeiten beraten.
  • Schaffung und Etablierung konstruktiver Kommunikationskanäle zu einzelnen Förderrichtlinien zwischen Projektträger:innen, Bewilligungsstellen und politisch-ministeriellen Verantwortlichen.
  • Bewilligte Träger:innen sollten im Laufe einer Förderperiode mind. einmalig von den zuständigen Fachreferaten besucht werden, um eine Rückkopplungsschleife abseits des Abschlussberichts oder Verwendungsnachweises zu etablieren und ggf. Zwischensteuerungen zu ermöglichen.
  • Damit einhergehend sollte die partizipative Einbindung der Zivilgesellschaft und Praktiker:innen bei der Schaffung neuer und Überarbeitung bestehender Förderrichtlinien ermöglicht werden.

ENTWICKLUNG UND EVALUATION

  • Förderrichtlinien um projektimmanente Bausteine erweitern. So müssen beispielsweise Ressourcen für die Projektkonzeption sowie systematische Evaluationskosten dezidiert einkalkuliert werden.
  • Politischer Legitimierungs- und Rechtfertigungsdruck sollte auch auf dieser Ebene verhandelt werden und nicht durch in Auftrag gegebene Evaluationsstudien an die Projekttäger:innen weitergereicht werden.
  • Erfolgreich evaluierte Projekte die Möglichkeit einer innovationslosen Anschlussfinanzierung von mind. 18 Monaten geben, um auf Seiten der Träger:innen projektbasierte Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln.
  • Die wissenschaftliche Erarbeitung und Testung angemessener Evaluationsdesigns und Wirkungskriterien sowie aussagekräftiger Feldstudien für die außerschulische politische Bildung (in Sachsen) anregen.

KOORDINIERUNG UND ABSICHERUNG

  • Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von politisch-demokratischer Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung der Sächsischen Staatsregierung.
  • Gründung einer Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) zur Abstimmung der Förderziele, -gegenstände und -maßnahmen im Bereich der politisch-demokratischen Bildung.
  • Entwicklung einer sächsischen Förderstrategie für den Querschnittsbereich der politisch-demokratischen Bildung.
  • Das sächsische „Förderdickicht” lichten:
    • Die Anzahl an Förderrichtlinien im Querschnittsbereich der außerschulischen  politisch-demokratischen Bildung verringern. Stattdessen weitgefasste Förderprogramme finanziell untermauern und politisch absichern, um durch die Kleinteiligkeit des Bildungsfeldes breit aufgestellte Projektkonzeptionen nicht zu verunmöglichen (Stichwort: unerlaubte Mischfinanzierung) und zudem notwendige Übersichtlichkeit für die Adressat:innen der Förderung zu generieren.
    • Richtlinien- und ministeriumsübergreifende Vereinheitlichung von Fördermodalitäten im Freistaat. Angefangen von einheitlichen Regelungen zu Sachkosten- und Festbetragsfinanzierungen sowie Abrechnungsvorgaben, über realistische Finanzierungspauschalen (Honorarsätze, Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen) bis zur Überprüfung der Eigenmittelanforderungen, die beispielsweise in der aufsuchenden politischen Erwachsenenbildung nur schwer zu erfüllen sind.
  • Entgegenwirken von Kürzungen in der demokratischen Kinder- und Jugendhilfe durch finanzielle Stärkung der Kommunen. Etablierung und Konsolidierung von Träger:innen und Fachkräften der Kinder- und Jugendarbeit vor Ort.
  • Rahmenbedingungen zur Strukturförderung für langjährig etablierte und über verschiedene Richtlinien ununterbrochen geförderter Träger:innen schaffen.
  • Gesetzliche Verankerung der finanziellen Förderung von außerschulischer Demokratiearbeit mit allen Zielgruppen durch öffentliche Gebietskörperschaften (abseits des SGB VIII) mittels eines Demokratiefördergesetzes auf Bundes- und Landesebene.

… für Projektträger:innen

  • Finanzierung der eigenen Trägerstruktur abseits öffentlicher Förderprogramme diversifizieren und damit Unabhängigkeit vergrößern.
  • Kooperationen mit anderen Projektträger:innen anstreben, um Ressourcen und Ideen zu bündeln sowie Handlungsstrategien bei oftmals gleichen Herausforderungen auszutauschen.
  • Sich gedanklich von schnell messbaren Erfolgen außerschulischer politischer Bildung und einer unsystematischen ‘Wirkungsmessung nebenbei’ verabschieden.
  • Angepasste Evaluationsdesign und Feldforschung einfordern und ggf. als Projektbausteine beantragen.
  • Fehlende Agilität durch langwierige Frist- und Bewilligungszeiträume sichtbar machen und ggf. begründete Änderungsanträge stärker nutzen.

Medien-Echo

Hier ist die Pressemitteilung der TU Dresden zur Veröffentlichung der Studie. 

Download der Studie

Weitere Informationen

Redaktion TolSax

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