Offener Brief: Für Humanität, Schutz und Solidarität
Autor_innen: AG Asylsuchende Sächsische Schweiz Osterzgebirge, AKuBiZ e.V. und weitere
Offener Brief zur bisher fehlenden Perspektive in der aktuellen Migrationsdebatte im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
Lasst uns innehalten und handeln.
Innehalten
Jeden Tag hören, lesen und sehen wir es: Die Debatte um Zuwanderung von Geflüchteten ist mal wieder in vollem Gange. In den Medien fallen häufig die Worte illegale Migration, illegaler Grenzübertritt und illegal Geschleuste. Es scheint, als ginge es dabei ausschließlich um Verbrechen.
Die Menschen kommen hier bei uns im Landkreis an, nicht irgendwo. Wir hören die Hubschrauber über uns kreisen, nehmen die vielen Polizeikontrollen wahr, finden mitunter auch verlassene Lager in Wäldern. Am Morgen klopfen geflüchtete Menschen an die Tür der Marienkirche in Pirna. Um wen oder was geht es bei diesen Debatten eigentlich?
Wir sprechen über Grenzsicherung und Kriminalität. Wir sprechen nicht darüber, warum Menschen nach Deutschland kommen und warum ihnen wegen fehlender legaler Einreisemöglichkeiten oft keine andere Möglichkeit bleibt, als sich einem
Schleuser anzuvertrauen.
Wir sprechen nicht darüber, dass diese Menschen Schutz in Deutschland suchen.
Wir sprechen nicht darüber, dass sie ein Recht auf ein ordentliches Asylverfahren haben.
Dafür bürgen unser Grundgesetz und die Genfer Flüchtlingskonvention.
„Geschleuste“: das sind Menschen auf der Flucht. Menschen, die ihr Zuhause und ihre Familien verlassen mussten. Die ihr Leben nicht leichtfertig aufgaben, aber mit Hoffnung auf ein sicheres und besseres Leben nach Europa kamen. Auf diesem Weg geraten sie in lebensgefährliche Situationen, erfahren Gewalt, Ohnmacht und Zurückweisung.
Abschottung sorgt nicht dafür, dass weniger Menschen flüchten, sondern dass der Weg nur noch gefährlicher wird.
Handeln
Wir müssen uns fragen: Sehen wir Menschen in Not, denen wir helfen können? Oder sehen wir nur sogenannte Illegale, denen man nicht helfen darf?
Die Geschichte von Migration ist eine Menschheitsgeschichte. Da zu uns Menschen in Not kommen, sind Hilfe und Solidarität die richtigen Entscheidungen – dass wir gemeinsam dazu im Stande sind, haben wir 2015 und 2022 bewiesen.
Und wir haben seitdem gelernt: wenn Menschen einen sicheren Aufenthalt haben, dann bringen sie sich ein und gestalten Gesellschaft mit.
Unser Brief soll diese fehlende Perspektive in die aktuelle Debatte einbringen: Es geht um Menschen, um ihr Recht auf Würde und humane Behandlung. Und es geht um uns, den drohenden Verlust unserer Freundlichkeit, Warmherzigkeit und Bereitschaft zu helfen, wenn ein Mitmensch in Not ist. Darauf und auf einer Versachlichung der Debatte sollte unser aller Fokus liegen.
Lasst uns Gesicht und Mitgefühl zeigen. Lasst uns solidarisch sein.