BMB-Policy Paper zum Umgang mit den Corona-Protesten
Autor_innen: Bundesverband Mobile Beratung
17. Dezember 2020
Seit Beginn der Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beobachten die Mobilen Beratungsteams die Entwicklungen vor Ort. Neben symbolträchtigen Orten wie Berlin, Leipzig oder Stuttgart finden so auch die Dynamik der Proteste und der dahinter liegenden Vernetzung in kleineren Orten und anderen Bundesländer Eingang in die gemeinsame Analyse der Teams im Bundesverband Mobile Beratung.
Nach einer umfangreichen Analyse und ersten Empfehlungen an Politik und Verwaltung im Mai legt der BMB nun das Policy Paper „Auseinandersetzung unterstützen – Analyse der Corona-Proteste und Empfehlungen für Politik und Verwaltung“ vor. Dieses Papier beruht auf der kleinteiligen Beobachtung der Proteste durch die Mobilen Beratungsteams, dem fortwährenden Austausch im BMB sowie mehreren digitalen Treffen mit Beteiligung von Berater*innen aus unterschiedlichen Bundesländern.
Die PDF-Datei des Policy Paper können Sie hier herunterladen. Die zentralen Aussagen des Papiers fassen wir im Folgenden zusammen:
Herausbildung einer Protestbewegung mit Widerstandsrhetorik und Gewaltpotential: Die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben sich seit dem Frühjahr verschärft: es hat sich eine auf strukturell antisemitische Verschwörungsmythen beziehende Sammlungsbewegung entwickelt, die mit zunehmender Widerstandsrhetorik und Selbstermächtigungsvorstellungen auf der Straße und mit der AfD auch in den Parlamenten präsent ist. Teile der Bewegung weisen ein hohes und steigendes Gewaltpotential auf.
Fokus auf inhaltliche und ideologische Klammern statt auf Nachweis von „Extremismus“: Bei der weiteren Beschäftigung ist es wichtig, nicht allein auf die Teilnahme einzelner Neonazis oder Verbindungen von Vertreter*innen des „Querdenken“-Spektrums mit extrem rechten Akteur*innen zu blicken. Die Einordnung in die sicherheitsbehördlichen Extremismusbegriffe ist für die gesellschafts-politische Auseinandersetzung nicht zielführend. Vielmehr sollten die inhaltlichen Verbindungen zwischen den sehr unterschiedlichen Spektren und die ideologischen Allianzen in den Fokus rücken – nur so wird eine langfristige Auseinandersetzung mit den bis weit in die sogenannte Mitte der Gesellschaft anknüpfungsfähigen Deutungen der Krise möglich sein. Diese sind aktuell vor allem anti-demokratisch, tendenziell antisemitisch und schließen nahtlos an extrem rechte Erzählungen an.
Rote Linien ziehen, demokratische Debatte führen, Betroffene und Engagierte professionell unterstützen: Die aktuellen Proteste müssen ernst genommen werden – allerdings vor allem als Bedrohung für das demokratische Zusammenleben und eine konstruktive Debatte. Zudem sehen sich Verantwortliche in der Kommunalverwaltung, Bürgermeister*innen, Engagierte, von Rassismus und Antisemitismus Betroffene, Journalist*innen und andere, die sich exponiert äußern, Drohungen und Angriffen ausgesetzt.
Verantwortungsträger*innen und öffentliche Verwaltung sollten daher deutlich Position beziehen und all jene unterstützen, die sich vor Ort auch in sehr schwierigen Zeiten für Fakten, Dialog und Demokratie einsetzen. Dazu gehört auch eine Stärkung der Strukturen, die durch Beratung und Expertise diese Menschen und Organisationen professionell begleiten und stützen.