Ausweitung der Extremismusklausel in Sachsen – Vereine verweigern Unterschrift
Die Diskussion um die sächsische sogenannte Demokratieerklärung, auch Extremismusklausel oder Bespitzelungsklausel genannt, zieht weitere Kreise. Nachdem die Vergabe von Mitteln aus dem Förderprogramm „Weltoffenes Sachsen“ an die Voraussetzung eines Bekenntnisses zur Freiheitlichen demokratischen Grundordnung geknüpft worden war, sind nun auch Vereine betroffen, die Geld aus dem Fördertopf für Interregionale Zusammenarbeit beantragen wollen.
Somit wurde auf Landesebene die letzte Förderrichtlinie für Entwicklungspolitische Bildungsarbeit mit einem massiven bürokratischen Mehraufwand versehen. Denn nicht nur die Träger selbst müssen ihr Bekenntnis zur Demokratie per Unterschrift extra dokumentieren. Auch von allen Partnern wird verlangt, dass die Klausel unterschrieben wird.
„Das ruft bei Partnern regelmäßig große Irritationen hervor“, weiß Christoph Boosen, Koordinatorder Sächsischen Entwicklungspolitischen Bildungstage.
Von den Betroffenen hagelt es auch inhaltliche Kritik an der Klausel: Da es bisher möglich war, Gelder zurück zu fordern, die zweckentfremdet verwendet wurden, ist nicht klar, welchen Zweck das Demokratiebekenntnis eigentlich haben soll. Die betroffenen Vereine befürchten daher, dass die Demokratieerklärung eher eine Möglichkeit bieten soll, kritische Äußerungen zu unterdrücken. Denn was als „extremistisch“ eingestuft wird oder nicht, ist insbesondere in Sachsen nicht immer ganz klar.
„Die Zivilgesellschaft empfindet es als massive Störung des Vertrauensverhältnisses, dass sie Ihr Bekenntnis zur Demokratie extra erklären soll“ sagt Anne Schicht, Koordinatorin des Entwicklungspolitischen Netzwerks Sachsen e.V. „Der Alleinanspruch der Regierung auf die Definitionshoheit, wer oder was demokratisch oder extremistisch ist oder nicht, wird dadurch manifestiert. Damit wird das Vertrauen in jahrelange, qualitativ und fachlich hochwertige und in hohem Maß ehrenamtliche Arbeit in Frage gestellt“.
Somit führt die Demokratieerklärung ihren Zweck selbst ad absurdum, indem sie eine kritische, aktive Zivilgesellschaft behindert, was letztlich eine Schwächung der Demokratie bedeutet.
Nachdem die sogenannte Bundesklausel durch das Verwaltungsgericht Dresden im April 2012 für rechtswidrig erklärt wurde, hatte sich die Aufregung um das damit zum Ausdruck kommende generelle staatliche Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement etwas gelegt. Nun wird die Diskussion, zumindest in Sachsen, aufs Neue angefacht. Juristisch nähren Gutachten der juristischen Dienste des Bundestages und des sächsischen Landtages verfassungsrechtliche Zweifel.
Zahlreiche seit Jahren in der rassismuskritischen und entwicklungspolitischen Bildungsarbeit tätige Vereine haben sich bereits geweigert, die Extremismusklausel zu unterschreiben. Sie wollen sich nicht weiterer staatlicher Bevormundung, Kontrolle ihres zivilgesellschaftlichen Engagements sowie Beschränkung kritischer Bildungsarbeit unterwerfen. Dazu gehören u.a. das Entwicklungspolitische Netzwerk Sachsen e.V. und aha – anders handeln e.V.. Viele andere in Vereinen und Nichtregierungsorganisationen tätige entwicklungspolitisch Engagierte zögern noch: Politisch und inhaltlich lehnen sie die Extremismusklausel ab. Aber ihre ganze Arbeit ist in Frage gestellt, wenn sie auf die Förderung verzichten.
Kontakt
Anne Schicht
Koordinatorin des ENS Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen e.V. Kreuzstraße 7, 01067 Dresden Telefon (03 51) 4 92 33 64 Telefax (03 51) 4 92 33 60 anne.schicht@einewelt-sachsen.de www.einewelt-sachsen.de