Rückblick 14.11.20 | TolSax Konkret Digital | Solidarisch durch die Krise – Demokratisches Engagement stärken
Tagungsbericht zur TolSax Konkret Digital „Solidarisch durch die Krise – Demokratisches Engagement stärken“ am 14. November 2020
Bei der TolSax-Konkret-Veranstaltung „Solidarisch durch die Krise – Demokratisches Engagement stärken“ kamen am 14. November 2020 über 30 Engagierte aus der sächsischen Zivilgesellschaft und Politik zusammen, um sich über die vielfältigen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Arbeit auszutauschen – und gute Strategien im Umgang damit zu entwickeln. Nachdem schon länger absehbar war, dass aufgrund der Corona-Pandemie kein großes Landestreffen stattfinden kann, wollte sich das Netzwerk zumindest in kleinerem Rahmen in Dresden treffen. Kurzfristig musste aber auch diese die Veranstaltung als Online-Tagung durchgeführt werden.
Demokratievereine sind systemrelevant – Informationen zur Fördersituation 2021 aus dem SMS
Solvejg Höppner vom Kulturbüro Sachsen e.V. eröffnete den digitalen Fachtag im Namen des Sprecher_innenrates des Netzwerks „Tolerantes Sachsen“. Sozialministerin Petra Köpping konnte aufgrund einer Sitzung des Corona-Krisenstabes leider nicht persönlich anwesend sein. Ihre Grüße übermittelte Sebastian Vogel, Leiter der Abteilung 6 – Gesellschaftlicher Zusammenhalt im Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er erklärte im Namen der Ministerin, dass die Arbeit der im Netzwerk Tolerantes Sachsen zusammengeschlossenen Vereine auch in der Krise systemrelevant für die Gesellschaft sei. Zudem konnte er verkünden, dass bei den Förderprogrammen „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ sowie „Integrative Maßnahmen“ im kommenden Doppelhaushalt keine Kürzungen geplant seien. Das bisherige Niveau der Förderung werde im Regierungsentwurf, der die Basis für die Debatte im Parlament bietet, gehalten. Erst wenige Tage vor der TolSax-Konkret hatte sich das Kabinett auf Eckpunkte für den Haushaltsentwurf geeinigt, mit denen die zunächst befürchteten Kürzungen im Sozialbereich abgewendet sind. Dies sei auch dem persönlichen Einsatz von Sozialministerin Petra Köpping zu verdanken.
Diese Botschaft aus dem Ministerium sorgte bei den Teilnehmenden für eine gewisse Erleichterung. Trotzdem blieben noch einige Fragen zur Fortsetzung der Förderung der Demokratieprojekte im kommenden Jahr offen. Auf diese Nachfragen ging Sebastian Vogel ebenfalls ein. Der Doppelhaushalt 2021/22 wird vermutlich erst im Mai oder Juni des kommenden Jahres durch das Parlament beschlossen. Bis dahin gilt eine vorläufige Wirtschafts- und Haushaltsordnung. Mittels einer Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums auf Basis des Regierungsentwurfes, der im Dezember veröffentlicht wird, sollen aber bereits Anfang des Jahres zwischen 60 und 70 Prozent der geplanten Mittel für die Ministerien freigegeben werden. Im Sozialministerium ist geplant, wie in den Vorjahren bis Anfang Februar die Bescheide für die Projektförderung aus den beiden Programmen zu erstellen. Bereits im Dezember, noch vor Weihnachten, sollen die Träger vorab über die Bewilligungsaussichten ihrer Anträge informiert werden. Allerdings seien beide Programme wieder stark überzeichnet. Nötig sei daher eigentlich eine Aufstockung der Programme.
Digital ist (nicht immer) besser – Impulse aus der Zivilgesellschaft
Die Ausführungen von Sebastian Vogel haben zumindest einige Sorgen und Befürchtungen für das kommende Jahr abgemildert. Es bleiben die besonderen Herausforderungen durch die Corona-Krise und die damit einhergehenden Einschränkungen. Diese wurden im zweiten Teil der Veranstaltung diskutiert. Zunächst gaben Vertreter_innen von sechs Vereinen mit kurzen Impulsvorträgen Einblicke in ihre aktuelle Situation:
Steve Becker vom different people e.V. aus Chemnitz berichtete über die Beratungsarbeit im ländlichen Raum zu Fragen rund um sexuelle Orientierungen, geschlechtliche Identitäten sowie queere Lebensrealitäten. „Das Internet ersetzt nicht den persönlichen Kontakt“, machte er auf eine Herausforderung aufmerksam. Des Weiteren ist es durch die Pandemie deutlich schwerer geworden, Öffentlichkeit für queere Themen zu erzeugen.
Martina Glass vom Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK) aus Wurzen erklärte, die Aktivitäten des Vereins seien bisher zu 100 Prozent analog gewesen: „Wir wollen mit unseren Themen ja auch vor Ort sichtbar sein.“ Die Arbeit für Demokratie sei gerade im ländlichem Raum auch immer Beziehungsarbeit. Über digitale Formate würde man eher andere Menschen erreichen als die eigentliche Zielgruppe. Gleichzeitig würden die eigenen Themen wie die Auseinandersetzung mit Rassismus teilweise als nicht mehr so wichtig – oder „systemrelevant“ – erachtet.
Sandra Münch vom Bon Courage e.V. aus Borna lenkte den Blick auf die besondere Situation von Geflüchteten. Gerade die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sei problematisch, da diese in der Corona-Pandemie keinen geschützten Raum bieten. Es mangele zudem an Konzepten, mit denen sich Komplett- und Ketten-Quarantänen vermeiden lassen. Ihre Klient_innen hätten weiter hohen Beratungsbedarf, der aber nur eingeschränkt abgedeckt werden kann. Über digitale Kanäle werden eher Menschen erreicht, zu denen es schon zuvor einen engeren Kontakt gab.
Doritta Korte vom colorido e.V. aus Plauen, die kurzfristig für die Kontaktstelle Wohnen aus Leipzig eingesprungen ist, berichtete über Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit Schulen, in der Stadtteil- und Vernetzungsarbeit: „Es brechen uns die Jugendlichen weg, die sich politisch engagieren wollen.“
Sven Kaseler vom Augen auf e.V. aus Ostsachsen erzählte von der „Karawane der Vernunft“, mit der ein breites Bündnis im Juni einen Kontrapunkt zum sogenannten „Stillen Protest“ von Menschen mit Reichsfahnen entlang der B96 gesetzt hatte. Die Vorbereitung dafür sei komplett über Videokonferenzen gelaufen, wodurch viele Initiativen mit einbezogen werden konnten, die sonst nicht so schnell zusammengefunden hätten. Gleichzeitig sei es auf diese Weise schwerer, gemeinsam kreative Ideen zu entwickeln. Außerdem erfordere Online-Kommunikation andere (digitale) Sicherheitsmaßnahmen. Eine Herausforderung sei auch der Umgang mit Hate-Speech und Bedrohungen im Anschluss an die Aktion.
Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. aus Dresden berichtete ebenfalls von den Schwierigkeiten mit politischen Protestformen unter Corona-Bedingungen. „Nazis und Corona-Leugner_innen haben es da einfacher, die wollen sich ja nicht an die Regelungen halten und treten radikaler auf.“ Trotzdem gebe es bereits einige gute Erfahrungen, etwa mit dezentralen und Online-Demonstrationen.
Solidarisch durch die Krise – Austausch von Erfahrungen und Ideen
Durch diese sechs Inputs wurde ein weites Feld an Herausforderungen und Ideen für den Umgang damit aufgemacht. Diese wurden im Anschluss in drei digitalen Kleingruppen von den Teilnehmenden weiter ergänzt und intensiv diskutiert. Leitfragen für die Kleingruppen waren: 1) Welche Herausforderungen hat die Pandemie für Eure Arbeit bzw. die Wirksamkeit Eurer Arbeit mit sich gebracht? 2) Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Eure Zielgruppe und die Erreichbarkeit Eurer Klient_innen? 3) Wie ist es für uns möglich, unter Corona-Bedingungen politisch wirksam zu sein und auf Forderungen aufmerksam zu machen?
Trotz einiger guter Ansätze bleiben viele Fragen, wie die eigenen Arbeit unter Corona-Bedingungen wirksam umgesetzt, die Zielgruppe gut erreicht und unterstützt werden kann. Gemeinsam gute Ideen und kreativen Lösungen dafür zu finden, wird weiterhin unsere Aufgabe als Netzwerk sein. Die sechsstündige digitale Konkret-Veranstaltung hat auf jeden Fall gezeigt, dass es einen hohen Bedarf an Austausch dazu gibt.
Unser besonderer Dank gilt daher den beiden Moderator_innen Nora Lucaciu und Philipp Greunke vom Bildungsverein Parcours aus Leipzig. Sie haben gezeigt, dass sich auch im digitalen Raum gute Kommunikation und ein spannender Austausch gestalten lässt. Natürlich hoffen wir, dass sich die Mitglieder des Netzwerks bald auch wieder im „echten Leben“ begegnen und austauschen können.
TolSax Konkret
Eine Veranstaltung der Reihe TolSax Konkret des Netzwerks Tolerantes Sachsen.
Gefördert von
Das Projekt wird gefördert vom Sächsischen Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“. Die Zuwendungen stammen aus Steuermitteln. Diese Steuermittel werden auf Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes zur Verfügung gestellt.