In Borna beim Bon Courage e.V.

Beratung und Unterstützung für
Asylsuchende im Leipziger Land durch
Bon Courage e.V.

2007 von engagierten jungen Bürger_innen in Borna gegründet, setzt sich der Bon Courage e.V. nun schon seit zehn Jahren für ein solidarisches und von Respekt geprägtes Miteinander und gegen menschenverachtende Einstellungen im Landkreis Leipzig ein.

Lag der Fokus des Vereins in den Anfangsjahren auf der politischen Öffentlichkeits-, Aufklärungs- und Bildungsarbeit, widmen sich die Mitglieder seit vielen Jahren auch der praktischen Unterstützung von Asylsuchenden. Aus diesem Engagement entstand 2013 die Infobroschüre „Von außen sieht es nicht so schlimm aus…“ über die Lebenssituation von Geflüchteten. Auch initiierte der Verein den „Runden Tisch Migration im Landkreis Leipzig“.

Seit Ende 2015 kann der bislang ehrenamtlich getragene Verein diese Erfahrungen auch hauptberuflich einbringen. Zwei neue Projektstellen ermöglichen die vielfältigen Angebote des „WELkompass – Lotsen für Geflüchtete“. Ausgebildete Lotsen – also ortskundige Menschen aus Borna – stehen den Asylsuchenden als Wegweiser und -begleiter_innen zur Seite. Gemeinsame Stadtrundgänge, Volleyballturniere, oder ein integratives Sommerferienprogramm – die Veranstaltungen bringen einheimische und Asyl suchende Menschen zusammen.

Große Resonanz finden auch die Informations- und Unterstützungsangebote des Vereins. Direkt in den Unterkünften klären die Berater_innen Asylsuchende über das Verfahren, ihre Rechte und Pflichten auf. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Sprachmittler_innen. „Im Gespräch kann man natürlich mehr Infos vermitteln als durch Aushänge oder Broschüren“, so Sandra Münch, eine der zwei Projektmitarbeiterinnen. Unterstützung mit Formularen oder bei individuellen Fragen finden Geflüchtete bei den regelmäßigen Beratungsterminen.

Mit Sandra Münch unterhielten wir uns über ansteigende Übergriffe und die Unterstützung für Asylsuchende.Im Gespräch mit …Sandra Münch vom Bon Courage e.V

Die jüngsten Entwicklungen?

Seit April 2016 stehen dem Verein neue Büroräume zur Verfügung – hier finden die Beratungen und Veranstaltungen Platz. Kurz nach Eröffnung wurden die Fensterscheiben zerstört, Buttersäure sollte die Räume unbrauchbar machen.

Aus diesem Anschlag auf sein Engagement ging der Verein jedoch gestärkt hervor. „Wir haben unglaublich viel Solidarität erfahren“, so Sandra Münch.

Sorgen bereitet ihr jedoch die zunehmenden Gewalt gegen Menschen. „Es stimmt uns mehr als nachdenklich, dass nahezu jede Woche mindestens ein weiterer Angriff stattfindet, der sich gegen Geflüchtete richtet“, so Sandra Münch. „Die Täter und Täterinnen wähnen sich in einem gesellschaftlichen Klima der Zustimmung – sie fühlen sich als Speerspitze einer vermeintlichen ‚Volksbewegung‘, die mit Anschlägen wie dem genannten das in die Tat umsetzt, was viele denken. […] Unser langfristiges Ziel ist es, dass diese Angriffe nicht mehr stattfinden. Dafür aber bedarf es eines gesellschaftlichen Konsens, dass Menschenverachtung in all ihren Formen nicht toleriert wird“, so Münch in einer Stellungnahme direkt nach dem Anschlag.

Ein Interview von Radio Blau mit Sandra Münch zum Angriff auf das Büro im Mai 2016 und den neuen Projekten: Radio Blau, 07.05.2016

Probleme?

Im Kontakt zu Geflüchteten erfährt Sandra Münch von den Auswirkungen der Asylpolitik.

Das BAMF arbeitet unter Hochdruck. Möglichst schnell, möglichst viele Anträge bearbeiten – das ist die Devise. Sandra Münch fragt sich, ob unter diesen Bedingungen eine gute Prüfung der Einzelfälle überhaupt möglich ist.

Die beiden Asylpakete des Bundes sind unter großem politischem Druck entstanden – und das merkt man ihnen auch an. Zu schnell konzipiert und durchgeboxt, wenig fachlich fundiert, so das Urteil von Sandra Münch.

Die fatalen Folgen für die Betroffen: Abschiebung auch bei Krankheit. Der Familiennachzug wurde erschwert, zusätzlich noch durch das EU-Türkei-Abkommen. Unbegleiteten Minderjährigen müssen zwei Jahren auf den Nachzug ihrer Eltern warten. Und wer zweimal gegen die Residenzpflicht verstößt, verwirkt sein Asylverfahren. Besuche bei Verwandten in anderen Städten können so schnell zur Falle werden – für den, der diese Regelung nicht kennt. Umso wichtiger ist es, Asylsuchenden über die Rechtslage und das Verfahren zu informieren.

Beratungsstellen könnten hier als Schnittstellen zwischen Asylsuchenden und den Behörden fungieren. Und so auch das BAMF entlasten. Eine Fördermöglichkeit für diese Projektarbeit hat Sandra Münch noch nicht gefunden. Sie wäre wünschenswert und notwendig.

Wünsche an das Netzwerk Tolerantes Sachsen?

Netzwerk sollte Sprachrohr sein

Gerade zur Asylpolitik, insbesonders des Landes Sachsen, sollte das Netzwerk klar Position beziehen und Probleme offen benennen.

Der Freistaat rühmt sich einer besonders rigiden Abschiebepraxis, die dabei auch Familientrennungen verantwortet (vgl. SZ 01.06.2016). Im ersten Halbjahr 2016 wurden 1.643 Menschen abgeschoben – fast so viele wie im gesamten Vorjahr. Mit dieser hohen „Schlagzahl“ möchte Innenminister Ulbig Signale setzen – an die Menschen aus „sicheren“ Herkunftsländern, sich nicht auf den Weg zu machen (vgl. SZ 01.06.2016).

Signale sendet diese Politik aber auch an PEGIDA und AfD. Der Kampf um Wähler_innen sollte jedoch nicht auf dem Rücken schutzbedürftiger Asylsuchender ausgetragen werden.

Lobbyarbeit

Asylpolitik

Es ist keine „Welle“, die da an Flüchtlingen über Sachsen hereinbricht. Menschen verschiedener Herkünfte gehören ebenso zum Land wie der Islam.

Sachlich, konstruktiv und menschlich – so sollte ein sächsische Diskussion zum Thema Asyl und Migration aussehen. Das Netzwerk muss diese Anliegen auch gegenüber Landesparlamentarier_innen vertreten.

Ganz grundsätzlich sollte das Netzwerk mehr Lobbyarbeit betreiben. Es sollte an Debatten im Landtag teilnehmen, und sich vor der Presse als Ansprechpartner etablieren. Das würde das Netzwerk ganz grundsätzlich stärken.

Fördermittel

Viel Arbeitszeit fließt in Antragstellung und -abrechnung. Die Anforderungen der Fördermittelgeber sind sehr hoch. Ein Perspektivwechsel könnte helfen: Münch möchte die Behörden dafür sensibilisieren, wie die Projektträger arbeiten.

Vereine tragen sich meist ehrenamtlich. Auch der Schatzmeister von Bon Courage stemmt die Buchhaltung neben seinem normalen Beruf – obwohl die Projektabrechnungen allein schon ein full-time-job wäre.

Anträge und Abrechnungen müssen einfacher werden – oder es braucht extra Mittel für die hauptamtliche Verwaltung.

Die kurze Befristung der Projektmittel auf zumeist weniger als ein Jahr erschwert ein nachhaltiges Arbeiten. „Wird der Folgenantrag bewilligt, oder müssen wir das Projekt einstellen“ – Diese Unsicherheit am Jahresende bürdet den Vereine in ein großes Risiko auf. Möchten sie das Projekt fortsetzen, tragen sie Personal- und Sachkosten in Vorleistung. Gerade kleine Vereine mit wenig Rücklagen sehen sich dann mit weitreichenden Schwierigkeiten konfrontiert. „Das Förderprogramm ist eigentlich nur etwas für Vereine, die schon ein gewisses Fundament haben“, zieht Münch Bilanz.

Unklar bleibt ihr, warum bei Landesförderung dem Abschluss der Mitarbeitenden keine Rechnung getragen wird. Ob Fachhochschule oder Doktor – Projektstellen sind auf TvöD9 begrenzt. Ganz anders als im öffentlichen Dienst.

Themenideen für Regionaltreffen TolSax Konkret

Input zu Asylrechtsfragen

Sandra Münch erhofft sich von dem Regionaltreffen eine fachlichen Input zum Asylrecht und die Möglichkeit, konkrete Fragen mit anderen Vereinen und Initiativen zu besprechen, die zum Thema Familienzusammenführung und Asyl arbeiten. Es wäre schön, wenn sich daraus längerfristige Kontakte ergeben. „Es wäre begrüßenswert, wenn das Netzwerk es schaffen, mehr in mir präsent zu werden“, so Sandra Münch.

Kontakt

Bon Courage e.V.

Ansprechperson: Sandra Münch
Kirchstraße 20-24
04‌55‌2 Borna

Tel: 01‌57 75 17 68 55
E-mail: info [at] boncourage.de
Web: https://boncourage.de/
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(21.06.2016)


Das Interview wurde im Rahmen unserer TolSaxOnTour (2016 und 2017) geführt. Zur Übersicht der Stationen

Tolerantes Sachsen | Mitglieder und Analyse

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