Berichterstattung über Protest

Was tun? Den rechten Spin durchbrechen

Wie lässt sich also dem entgegenwirken, dass Medien ausufernd über rechte Aktivitäten berichten, rechte Erzählungen den Weg in den Mainstream finden und somit seit einigen Jahren schon den Diskurs permanent nach rechts verschieben? Die Auflistung zeigt, dass man mit einfachen Rezepten nicht weit kommt. Im Grunde braucht es einen langfristigen Mentalitätswandel. Aber immerhin kann man im jeweils konkreten Fall einiges tun, um den rechten Spin einzudämmen oder gar zu brechen.


Dokumentation und Aufklärung bleiben notwendig, aber man darf nicht das Geschäft rechter Social-Media-Redakteur:innen übernehmen.


Dazu gehört zuerst die Reiz- und Affektkontrolle. Denn nicht nur Medienvertreter:innen fallen auf rechte Inszenierungen rein, wenn sie kalkulierte Skandale und „Mausrutscher“ von AfD & Co. aufgreifen, statt sie als Strategie zu verstehen. Über dieses Stöckchen springen ebenso Aktivist:innen, wenn sie über soziale Netzwerke jedes Detail über die Rechten verbreiten. Damit vergrößern sie deren Reichweite, stoßen schlimmstenfalls erst Journalist:innen darauf. Diese berichten dann, die Aufmerksamkeitsspirale kreiselt. Zurückhaltung ist auch auf aktivistischer Seite gefragt. Dokumentation und Aufklärung bleiben notwendig, aber man darf nicht das Geschäft rechter Social-Media-Redakteur:innen übernehmen. Ihnen Reichweite nehmen bedeutet auch, Screenshots anzufertigen, statt Originalbeiträge zu teilen. Darüber hinaus kann man mit folgenden Möglichkeiten auf Medienberichte reagieren.

Informieren

Journalist:innen sind in der Regel dankbar über Hinweise und auch Korrekturen, wenn man sie sachlich über soziale Netzwerke, die Kommentarbereiche oder via Mail auf Fehler in der Berichterstattung hinweist. Diese passieren oft ungewollt, gerade wenn sie unkritisch allein auf der Polizeimitteilung beruhen. Die Silvesterereignisse in Connewitz 2019/20 sind ein Beispiel, wo es einer Öffentlichkeit in den sozialen Netzwerken zusammen mit gut recherchierenden Journalist:innen des Stadtmagazins kreuzer9 und der taz gelang, die bis dahin von Polizeimeldungen dominierte mediale Darstellung komplett zu drehen. Auf die erste Korrektur im Lokalmedium wurden andere Journalist:innen aufmerksam. Von Augenzeug:innen später zugespielte Videos halfen, die Recherchen zu unterfüttern.10 Die gezielte Weitergabe von Informationen an vertrauenswürdige Journalist:innen kann also Einiges bewirken.

Resonanzräume nutzen

Es kann ermüdend sein, auf Social-Media-Kanälen, in Leser:innenforen oder in der direkten Kommunikation mit den Journalist:innen aktiv zu sein. Mit Trollen zu diskutieren lohnt nicht, aber eigene Kommentare zu verfassen, kann das Meinungsbild in den Kommentarspalten erweitern. Das kann Resonanz in den Redaktionen erwirken.

Widerstreit üben

Bei sich eher verweigernden, nicht auf Kritik reagierenden Medien empfiehlt es sich, sie in die Diskussion zu holen und im positiven Sinne Streit zu suchen. Vielleicht kann man ein öffentliches Podium organisieren, wo sich Journalist:innen Fragen zu ihrer Berichterstattung stellen lassen müssen. Oder man bietet Gastbeiträge an, regt Pro-Contra-Artikel an.

Isolieren und Solidarisieren

Fallen einzelne Journalist:innen mit rechten Positionen auf, sollten diese klar benannt werden. Redaktionen sind selten homogen. Öffentliche Kritik stärkt progressiveren Kräften einer Redaktion bei internen Diskussionen über Kolleg:innen den Rücken.


Öffentliche Kritik stärkt progressiveren Kräften einer Redaktion bei internen Diskussionen über Kolleg:innen den Rücken.



9Offenlegung: Der Autor dieses Textes ist ebenfalls beim Magazin kreuzer, im dortigen Kulturressort, tätig.

10Kempen/Lischko (2020), Fuchs et al. (2020).


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Aus der Publikation „Politisch Handeln im autoritären Sog“

2020 | Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Kulturbüro Sachsen und Netzwerk Tolerantes Sachsen | Förderhinweis | ISBN / DOI 978-3-946541-39-4 | CC-BY-NC-ND 3.0

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Redaktion TolSax

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