Beim Treibhaus e.V. in Döbeln

Für ein weltoffenes und menschliches Miteinander – und gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Das vertritt der Treibhaus e.V. in zahlreichen Projekten im Altkreis Döbeln.

Seit zwei Jahrzehnten macht der Treibhaus e.V. Döbeln soziokulturelle, interkulturelle und politische Arbeit. Die Förderung von Bildung, Kunst und Kultur ist ebenso Schwerpunkt wie das Einsetzen für ein demokratisches, antirassistisches (Handlungs-) Bewusstsein, die Entwicklung sozialgesellschaftlicher Prozesse und die Aktivierung des Ehrenamts. Diesen Ansatz setzt der Treibhaus e.V. in zahlreichen Projekten um – in Döbeln und Umgebung.

Aus großem Bedarf heraus entstand im Feburar 2016 die neue Projektstelle zur Koordinierung und Vernetzung ehrenamtlich Aktiver. Sie dient als Schnittstelle zwischen Geflüchteten, dem Bündnis Willkommen in Döbeln, Sozialarbeiter_innen, Engagierten, Behörden, Parteien, etc.. Projektverantwortliche Judith Sophie Schilling vernetzt auch andere Willkommensbündnisse im Altkreis Döbeln und darüber hinaus. Ein Fachtag mittelsächsischer Willkommensinitiativen soll am 17. September 2016 die bisherigen Erfahrungen reflektieren und Strategien für das zukünftige Engagement schmieden.

Das Projekt „FAIR – Fit gegen Antisemitismus, Intoleranz und Rassismus“ klärt mit Bildungsveranstaltungen über Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit auf, so Projektverantwortliche Sophie Spitzner. Sie berät Initiativen und Vereine in der Region bei deren Engagement für ein weltoffenes und menschliches Miteinander. Rechte Aktivitäten und Übergriffe werden in einer Chronik dokumentiert, die Analyse im blickpunkt.rechts veröffentlicht.

Die AG Geschichte widmet sich der detaillierten Aufarbeitung des Nationalsozialismus im Altkreis Döbeln. Unter dem Motto „Von gestern für morgen lernen“ arbeitet die AG an der Etablierung einer lebendigen regionalen Erinnerungskultur und stellt präventive Maßnahmen gegen die Bildung von rechten, antisemitischen und rassistischen Vorurteilen bereit.

Im Jugendbüro Diversity bietet Stephan Conrad Beratung, Begleitung und Unterstützung für Jugendliche, junge Erwachsene und Jugendinitiativen, betreut die hauseigene Jugendmediathek und die Computerlounge.

Im Projekt Kulturbeutel bietet Ronny Lienkämper ein breites soziokulturelles Angebot an. Regelmäßig finden Konzerte, Kabaretts, Filmabende, Mitmachküchen, Lesungen und Parties statt. Zu dem Projekt gehören außerdem die Siebdruckwerkstatt, die Fahrradwerkstatt und das Courage Radio, welches einlädt zum „Radio selber machen“.

Das Café Courage ist soziokultureller Veranstaltungs- und Begegnungsraum. Gewalt, Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus und Sexismus finden dort keinen Platz.

Mit den Vorstandsmitgliedern des Treibhaus e.V. Judith Schilling, Sophie Spitzner und Stephan Conrad unterhielten wir uns über Herausforderungen, aufwändige Projektanträge und Ideen für Regionaltreffen.

Im Gespräch mit … Judith Sophie Schilling, Sophie Spitzner und Stephan Conrad vom Treibhaus e.V.

Herausforderungen

Ehrenamtliche Strukturen stärken

Die Willkommensbündnisse leisteten im letzten Jahr eine wichtige Arbeit. Sie reagierten schnell auf aktuelle Bedarfe und Ereignisse: Organisierten eine Spendenkammer in einer Erstaufnahmeeinrichtung und Gegenproteste, wenn Neonazis und wütende Bürger_innen gegen Asylsuchende hetzten. Diese „Hau-Ruck-Aktionen“ zu einem kontinuierlichen und nachhaltigen Engagement zu entwickeln ist Ziel der Netzwerkerin Judith Sophie Schilling. Sorge bereitet ihr, dass zu viele Aufgaben an die Ehrenamtlichen abgegeben werden. Es muss klar sein, was die Bündnisse leisten können – und was in den Zuständigkeiten der Städte, Kommunen und Landkreise liegt.

Rechte Umtriebe – Problembewusstsein schärfen und gemeinsam Handeln

Döbeln und Umgebung ist JN-Hochburg. Im letzten Jahr gründeten sich zudem verschiedene „Bürger_innenbewegungen“ in der Region, die gegen Asylsuchende und Andersdenkende mobilisieren (vgl. u.a. Roßwein). Rechte Demonstrationen und Übergriffen haben stark zugenommen. Betroffen sind u.a. Willkommensbündnisse, alternative Jugendzentren und anderweitig zivilgesellschaftlich Engagierte.

Diese Entwicklung muss als Problem klar benannt werden – von der Bevölkerung ebenso wie ihren politischen Vertreter_innen. Nur durch starke couragierte Bündnisse aus Stadtverwaltung, Sicherheitsbehörden, Bürger_innen und Vereinen kann diesen Umtrieben effektiv begegnet werden. Kreative Strategien gibt es genug. Dafür möchte der Treibhaus e.V. sensibilisieren.

Wünsche an das Netzwerk Tolerantes Sachsen?

Der Treibhaus e.V. entwickelt beständig innovative Projekte, um auf aktuelle Bedarfslagen in der Region zu reagieren. Für die Durchführung ist der Verein auf Förderung angewiesen. Drei Punkte für die

Lobbyarbeit des TolSax zur Förderpraxis des Landes

1) Vereinfachung von Förderanträgen

Die Anträge und Nachweisbescheide für Projektförderungen sollten deutlich vereinfacht werden. Zu viel Zeit fließt in die aufwändige Dokumentation und Abrechnung – Zeit, in der gehandelt werde könnte.

2) Verringerung des Eigenanteils

Viele gute Projektideen scheitern am Eigenanteil. 10 Prozent müssen die Träger bei Förderungen aus Landesmitteln zumeist leisten. Kleine Vereine können diese Anteile nur schwer selbst erwirtschaften. In strukturschwachen Regionen wie Döbeln gibt es nur kleine Unterstützer_innen- und Spenderkreise. Daher wäre hier eine Anpassung des Eigenanteils wünschenswert, um auch unter diesen Rahmenbedingungen die notwendige Arbeit leisten zu können.

3) Mehrjährige Projektförderung

Projekte zur Förderung demokratischer Kultur, Gewaltprävention oder Inklusionsarbeit müssen unterschiedliche zivilgesellschaftliche Akteur_innen einbeziehen – in Netzwerken und Räumen der Aushandlung, die es aufzubauen gilt. Die verbreitete Förderpraxis von einem Jahr konterkariert diese Bestrebungen. Nachhaltig wirksame Projekte brauchen Planungssicherheit und Zeit – mindestens drei Jahre. Eine qualitative externe Evaluation könnte die Qualität der Projekte sicherstellen.

Unterstützung bei die Projektentwicklung

Bei den Anträgen ergeben sich häufig aber auch Fragen zu den Fördertöpfen, Formalitäten und potentiellen Kooperationen. Hier wünscht sich der Treibhaus e.V. eine Ansprechperson aus dem Netzwerk, die bei Bedarf für den Raum Mittelsachsen kompetent und zeitnah beraten kann.

Ihre Themenideen für – Regionaltreffen TolSax Konkret

Strategieaustausch zum Umgang mit „besorgten Bürger“

„Spaziergang“ vs. „Gegendemo“ – und das wöchentlich im Döbelner Land. Dieses Konzept erschöpft sich – und die Engagierten – bereits nach mehreren Monaten. Daher wurden nach kreativen und nachhaltigen Wegen gesucht, den öffentlichen Raum aktiv zu besetzen und darüber aufzuklären. Gemeinsam mit Asylsuchenden übertünchte das Willkommensbündnis Roßwein Neonazi-Schmierereien in Roßwein und klärte Geflüchtete über die Symboliken auf. Die Farbe stellte die Stadt Roßwein.

Auf der Suche nach neuen Ideen und Strategien würde sich Sophie Spitzner gerne mit anderen Vereinen austauschen.

Konzepte für Selbstorganisation von Geflüchteten und Inklusion

Neben den Willkommensbündnissen organisieren sich auch Asylsuchende. So will eine Gruppe in Döbeln einen eigenen Verein gründen. Judith Schilling möchte diese Prozesse begleiten und die Aktivitäten von Bündnis und Verein verknüpfen. Dazu wünscht sie sich methodischen Input von anderen Trägern mit ähnlichen Erfahrungen.

Kontakt

Treibhaus e.V.

Ansprechperson: Judith Sophie Schilling
Bahnhofstr. 56
04720 Döbeln

Tel:03431 – 60 53 17
E-mail: judith_schilling@treibhaus-doebeln.de
Web: www.treibhaus-doebeln.de
(02.06.2016)


Das Interview wurde im Rahmen unserer TolSaxOnTour (2016 und 2017) geführt. Zur Übersicht der Stationen

Tolerantes Sachsen | Mitglieder und Analyse

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